Felixfeigenwinter's Blog

Der Journalist Felix Feigenwinter, Basel, zu den Themen…

Felix Feigenwinter

Felix Feigenwinter Portrait

   Felix Feigenwinter 1980

Zu den Blogs/Websites von Felix Feigenwinter:

Der Journalist (Einblicke in vielfältiges journalistisches Schaffen)

Der Autor (Geschichten von Sonderlingen)

Aus einem schreibintensiven Leben (Sammlung journalistischer und literarischer Texte von F.F.)

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Curriculum Geboren 14. Dezember 1939 in Pratteln (Kanton Baselland, Schweiz). Bürger von Reinach (BL). Sohn des Obergerichtsschreibers und späteren basellandschaftlichen Strafgerichtspräsidenten Georg Feigenwinter und der Stadtbaslerin Elisabeth Lichtenhahn. Bruder der Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter. 1971 Heirat in London mit der Dichterin, Feministin und Publizistin Dr. phil. Gunild Armyros, geb. Schimmel (Gunild Feigenwinter). Kindheit in Pratteln und Liestal. Nach Abstecher im Humanistischen Gymnasium in Basel kaufmännische Ausbildung.

Journalistische Tätigkeit / Broterwerb

Frühe journalistische Tätigkeit u.a. für die  „Basellandschaftliche Zeitung“, das „Basler Volksblatt“ und die illustrierte Zeitung „Die Woche“. 1960-1965 Gerichtsberichterstatter und Regionalreporter der „Basler Nachrichten“. Mitarbeit für die schweizerische Depeschenagentur. Ab 1965 Mitwirkung am redaktionellen Aufbau des Basler Gratisanzeigers doppelstab. Lokalreporter, Interviewer, Kolumnist. 1968/69 Direktionsassistent im Schweizerischen Sportmuseum; verantwortlich für die Dokumentation der Ausstellung „Die Frau im Sport“, die anlässlich der 5. Gymnaestrada in der Baslerhalle der Schweizer Mustermesse am 25. Juni 1969 eröffnet und anschliessend als Wanderausstellung in mehreren europäischen Ländern gezeigt wurde. 1971/73 Redaktor der aargauischen „Freiämter Zeitung“. 1973-1980 Redaktor des Basler „doppelstab“. 1981 in der Inlandredaktion der „Luzerner Neusten Nachrichten“ (LNN). Ende 1981 Berufswechsel. Während 15 Jahren (bis Ende 1996) Sachbearbeiter in einer Sozialversicherungsanstalt. Freie Mitarbeit für die satirische Zeitschrift „Nebelspalter“.

INTERVIEWS, REPORTAGEN, KOLUMNEN:

http://felixfeigenwinterbasel.wordpress.com

SATIRISCHE BETRACHTUNGEN:

http://felixfeigenwintersatiren.wordpress.com

Schriftstellerisches Wirken

Erste Kurzgeschichten in den Sechzigerjahren, z.T. in den „Basler Nachrichten“ abgedruckt. 1978 Roman „Die Münzkönigin steht Kopf“ *, 1979 Roman „Der Wirt vom Spalenberg“ *

*Erschienen als Fortsetzungsromane u.a. in der „AZ Abend-Zeitung“ und „Basellandschaftlichen Zeitung“ (unter dem Pseudonym Georg Felix) und als Bücher im Mond-Buch Verlag Basel.

Verschiedene Erzählungen wurden verstreut in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, z.B. in der Literaturzeitschrift „Poesie“, in der „Literaturzeitung“, im Basler Stadtbuch 1984 (Ausgabe 1985), im „Beobachter“, im „Nebelspalter“.

Geschichten von Sonderlingen: http://feigenwinter.wordpress.com

Geschichten vom Totentanz: http://felixfeigenwinterautor.wordpress.com

Kriminalgeschichten: http://feigenwinterkriminalstories.wordpress.com

Skurrile Geschichten: https://feigenwintergeschichten.wordpress.com/

Erzählung Schwelle zum Paradies : http://schwellezumparadies.wordpress.com

Verlagsarbeit

1978 Mitgründer des Mond-Buch-Verlags, 1996 Gründung und Leitung des Kleinverlags Isishaus. Ferner Vorarbeiten für die postum erschienenen Bücher mit Texten der 1996 verstorbenen Adelheid Duvanel: 1997 Der letzte Frühlingstag (Luchterhand-Verlag  München); 2004 Beim Hute meiner Mutter (Verlag Nagel&Kimche Zürich). Anm.: Für beide Bücher lieferte Felix Feigenwinter aus seiner Sammlung der Geschichten seiner Schwester alle bis dahin der Literaturwissenschaft und den Kritikern nicht bekannten früheren Texte der Autorin, die zum Teil unter dem Psyeudonym Judith Januar in den Basler Nachrichten erschienen waren, auf Wunsch der Lektoren/Verlagsleiter Siblewski (Luchterhand) und Vaihinger (Nagel&Kimche), praktisch das gesamte unbekannte Frühwerk der Schriftstellerin, das dann Prof. Peter von Matt für seine Selektion verwertete.

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Warum schreibe ich Geschichten?

 1995

In ihrer Rubrik „Schweizer Autoren“ präsentierte im Jahr 1980 die Zeitschrift „Beobachter“ ihren Lesern den Basler Journalisten Felix Feigenwinter als Schriftsteller. Einleitend schrieb die „Beobachter“-Redaktion:

Der diesmal vom Beobachter  vorgestellte Schriftsteller ist im Hauptberuf Journalist. Daneben und dazu schreibt er Literatur. Eine seltsame Konstellation, über die der Autor selbst folgendes sagt: „Schreiben als Hobby eines Berufsschreibers? In Wirklichkeit ist es natürlich mehr als ein Hobby. Es ist die Suche nach meinem wirklichen Ich.“ – Ihn auf dieser Suche zu begleiten, dazu bieten die folgenden Texte Gelegenheit.

Wer bin ich?

Zur Welt kam ich am 14. Dezember 1939, gemäss Geburtsschein morgens um 8.30 Uhr, in einer Mietwohnung an der Bahnhofstrasse des basellandschaftlichen Industriedorfs Pratteln. Die Herkunft meines Vaters, eines Lehrersohns, ist ländlich und katholisch-konservativ. Meine Mutter stammt aus einem alten Stadtbasler Bürgergeschlecht, das protestantische Tradition hat. Der Vater meiner Mutter – also mein Grossvater mütterlicherseits – wich insofern von der Tradition ab, als er eine Katholikin aus dem Elsass heiratete. So wurde meine Mutter katholisch. Sie war Einzelkind und als solches letzter Spross eines aussterbenden Familienzweigs. (Zwei ihrer drei unverheirateten Tanten lernte ich  als mich besonders beeindruckende alte Damen kennen, die von Zeit zu Zeit meine Mutter  besuchen kamen, wohlerzogene, spröde-disziplinierte, an uns Kindern freundlich interessierte  Protestantinnen, die mit meiner Mutter zu Tee und Zwetschgenwähe für mich höchst lehrreich und unterhaltsam tratschten und dabei sparsam, aber effektvoll geistreich-ironischen Basler Witz einstreuten.) Über eine ganze Reihe von Geschwistern verfügte dagegen mein Vater. Unter ihnen kam er mir immer privilegiert vor. Er war der einzige in der Schar dieser Lehrersöhne und -töchter, der eine akademische Laufbahn eingeschlagen hatte: Er wurde Jurist, Obergerichtsschreiber, später Strafgerichtspräsident. Mein jüngerer Bruder trat in seine Fussstapfen. Ausserdem habe ich noch zwei Schwestern, von denen eine (die spätere Schriftstellerin und Malerin Adelheid Duvanel) schon im Kindesalter Geschichten schrieb. Meine Erinnerung an das Leben in Pratteln beschränkt sich auf einen Sinneseindruck: auf die Erinnerung an einen Geruch im Treppenhaus. Ein eigentlich unbeschreiblicher, warmer, süsslicher Duft, den ich unter anderem mit frisch gebackenem Gugelhopf in Verbindung bringe und der mir heute noch, wenn ich ihn wittere, das Gefühl glücklichen Geborgenseins vermittelt.

„Schneewittchen“ und der Marder

Als ich etwa dreijährig war, zogen wir in ein verwinkeltes (Miet-)Einfamilienhaus an der Peripherie des Baselbieter Residenzstädtchens Liestal. Am glücklichsten fühlte ich mich in der warmen Jahreszeit im Gemüse-, Blumen-, Sträucher- und Baumgarten, der das Haus umgab, im hohen Gras und im Heu der angrenzenden weiten Wiesen, am Ergolzufer und im nahen Wald. Schon damals war ich ein Individualist, eigentlich recht eigenbrötlerisch. Lieber unterhielt ich mich allein und spielte mit Käfern, Würmern, Schnecken, Igeln, Heuschrecken, Grillen, Kröten, Fischen, Vögeln und später auch mit Meerschweinchen, die im Garten und in der umliegenden Natur lebten, als mit meinen Geschwistern und den anderen Kindern. Die Meerschweinchen liess ich im Sommer auch frei im Garten laufen – bis mich angstvolle Schreie weckten und ich im Morgendämmer entsetzt das von einem Marder sauber geleckte Fell eines meiner Schützlinge (namens „Schneewittchen“)  entdeckte. Das war, soweit ich mich erinnere, mein erster Anschauungsunterricht über mögliche Risiken und Konsequenzen meines seit jeher sehr ausgeprägten Freiheitsdranges. „Schneewittchen“ war aber natürlich nicht das letzte Opfer und der Marder nicht das letzte Raubtier, die mir in meinem Leben begegneten. Dass mein Freiheitsdrang alsbald durch Schul- und andere Sachzwänge ernstlich verletzt wurde, hat mit dazu beigetragen, dass ich durch Lesen, was mein kritisches Denken förderte, viele Bedrohungen der sogenannten Realität als relative, für mich keineswegs immer nur zwingende Erscheinungen zu entlarven lernte. Eine lebensnotwendige Einsicht, die mich auch intellektuell (nicht nur emotional) mein individuelles Recht und meine Fähigkeiten erkennen liess, meine Umwelt nicht mit meinem Schicksal zu verwechseln, sondern sie kritisch zu be- und notfalls zu verurteilen, um nach anderen, meiner Individualität angemessenen Normen zu suchen.

Zwischen Leidenschaft und Brotberuf

Nach einem Abstecher im Humanistischen Gymnasium in Basel liess man mir eine kaufmännische Ausbildung angedeihen. Heimlich bereitete ich mich aber auf eine Tätigkeit als Schriftsteller vor. Meine ersten Gedichte und Kurzgeschichten schickte ich an die Feuilletonredaktionen verschiedener Zeitungen. Und nun geschah ein Missverständnis, dem ich meine journalistische Laufbahn verdanke: Ein Redaktor sandte mir meine dichterischen Ergüsse zurück (nur einige wenige wurden veröffentlicht) und erkundigte sich  gleichzeitig, ob ich nicht lieber journalistische Texte schreiben würde… Man schickte mich an Gemeindeversammlungen, damit ich darüber in der Zeitung informiere; ich besuchte Kunstausstellungen, Radrennen, Modeschauen,  Pressekonferenzen, interviewte Regierungsräte,  Schauspielerinnen, Fussballspieler, Kunstmaler; nach eigenen kreativen Vorstellungen begann ich Reportagen zu konzipieren,  und während mehreren Jahren betätigte ich mich als regelmässiger  Gerichtsberichterstatter der „Basler Nachrichten“.  Nebenbei schrieb ich Glossen, Kolumnen, Satiren … und schliesslich unterschrieb ich, als bisher freier Journalist aus Leidenschaft, aber frisch verheiratet und werdender Vater, einen Vertrag  als festangestellter Redaktor. Für die freie Schriftstellerei hatte ich immer weniger Zeit gefunden.

Einsame Beschäftigung

Warum ich seit einigen Jahren wieder „Literatur“ schreibe? Füllt mich der Journalismus und das Familienleben, zu welchem Mitarbeit im Haushalt und Beschäftigung mit dem Kind (selbstverständlich) gehören, zu wenig aus? Ich will es nicht leugnen: Die Erfahrung, dass sich konformes journalistisches Schreiben letztlich in oberflächlichen sprachlichen und inhaltlichen Klischees erschöpft (in welcher Zeitung ist heutzutage unangepasster Journalismus noch möglich?…), frustriert mich. Es drängt mich zu einer Freizeitbeschäftigung, die bei einem, der schreibend sein Geld verdient, erstaunen mag. Schreiben als Hobby eines Berufsschreibers? In Wirklichkeit ist es natürlich mehr als ein Hobby. Es ist die Suche nach meinem wirklichen Ich. Dabei wird mir immer wieder eine merkwürdige Problematik, eine Art Widerspruch bewusst: Ich schreibe Geschichten, um mich selbst zu finden, aber gleichzeitig bemühe ich mich, Leser zu fesseln, zu beindrucken, zu unterhalten. Ich will also auch kommunizieren, mir Unbekannte ansprechen, sie einladen, meinen erfundenen Figuren und Geschichten zu folgen, die meine versponnenen Gedanken, meine persönlichen Erfahrungen spiegeln. Wahrscheinlich möchte ich auch belehren, entlarven: So bin ich, so bist du, so ist der, so ist die, so sind wir, so sind die dort… und letztlich: So ist das halt. Aber ich möchte auch andere Perspektiven, Alternativen aufzeigen: „So kann man es auch sehen“, „so könnte es auch sein“. Da das Schreiben eine einsame Beschäftigung ist, freut es mich nicht nur, wenn mich Leser ansprechen (die ich mit meinen Texten angesprochen habe); manchmal erschreckt es mich auch. Und dann verkrieche ich mich wieder – und beginne, eine neue Erzählung zu schreiben.

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Ende einer Laufbahn

Von Felix Feigenwinter

Auf der alljährlich wiederkehrenden Herbstmesse, die zum Basler Herbst gehört wie die fallenden Blätter in den Parkanlagen und der kühle Rheinnebel, steigen in mir Erinnerungen auf an jene Zeiten, als ich in der Vorstellung, später irgendwann Schriftsteller-Lorbeeren einheimsen zu können, in beinahe unaufhaltsamer schöpferischer Produktionswut an einem Roman schrieb. Und daran, wie ich von dieser Illusion gnädig geheilt wurde – in einer Herbstnacht Mitte der Sechzigerjahre. Am frühen Nachmittag zuvor hatte ich auf der Herbstmesse einen um mehrere Jahre reiferen Literaturfreund getroffen, dem ich mein großes Glück anvertraute: Nämlich, dass ich den Roman, an dem ich seit etlichen Jahren Tag und Nacht arbeitete, endlich beendigt hätte; er läge druckreif auf meiner Bude, bereit, an einen Verlag verschickt zu werden. Der Literaturfreund zeigte sich sehr  interessiert,  er wollte das Produkt meines bisher verkannten Fleißes kritisch begutachten,  und wir vereinbarten, uns in der damals noch vorhandenen Weinstube Hunziker am Spalenberg zu treffen. Da erschien ich ein wenig später mit den dreihundert Schreibmaschinenseiten Roman unterm Arm – mein Bekannter saß bereits vor einem Liter Roten, und wir begannen zu lesen: Seite für Seite, zuerst er, dann ich, manchmal auch zu zweit dieselbe Seite. Dazu tranken wir Wein, erstaunliche Mengen Magdalener. Der Abend brach herein. Und mit ihm ein angeheiterter Kunstmaler, der Heimweh-Ungar Janossy, der sich zu uns setzte, mittrank und,  in seiner bekannten Art,  die im Lokal befindlichen Gäste zu zeichnen begann; die Skizzen verteilte er den Porträtierten. So ging das stundenlang, bis wir um Mitternacht unserem Malerfreund „Lebtwohl!“ zuriefen und in die kalte Herbstnacht tauchten. Erst auf dem Petersplatz, zwischen den vermummten Messebuden, beschlich mich das helle Entsetzen: wo war mein Roman?! Zu zweit untersuchten wir den Weg zurück bis zum Spalenberg,  in der verschwommenen Vorstellung, das Dreihundertseitenwerk sei unterwegs auf die Strasse gefallen. Nun wimmelte es zwar von Papieren auf dem nächtlichen Boden: von weggeworfenen Kastanien- und Magenbrot-Tüten, Zigarettenpäcklein und Papiertaschentüchern, Trambillets und leeren Zündholzbriefchen. Der Roman war nicht darunter. Am Morgen stand ich, ein banger Hoffender, vor der Tür der Weinstube –  der erste Gast! Erfolglos… Mir dämmerte: Die Porträts! Unser Malerfreund, der gutmütige Janossy aus Budapest, der so leicht in Tränen ausbrach, hatte die Porträts, die er in seinem Bescherungsrausch fortlaufend an die weinseligen Gäste verteilte, auf die Rückseiten meiner dreihundert Schreibmaschinenblätter gezeichnet! Weder Täter noch Opfer waren Zeuge dieser Orgie gewesen, ganz zu schweigen von den übrigen Betrunkenen.

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Die Stimme

Von Felix Feigenwinter

Als gesundheitlich angeschlagener Rentner verkrieche ich mich abends normalerweise vor dem Eindunkeln in meine Wohnung, und tagsüber meide ich grössere Menschenansammlungen. Meine Geh- und Sehbehinderung zwingt mich zur Vorsicht. Aber der Jahrmarkt im Herbst fordert mich heraus – da wage ich mehr als gewöhnlich; der Rummelplatz weckt Jugenderinnerungen und Sehnsüchte. Da stehe ich nun, berauscht von einer verführerischen Stimme, die fürsorgliche Anteilnahme verströmt und das Abenteuer der Fahrt mit der Himmel-und-Hölle-Bahn warmherzig und voller Humor und Phantasie anpreist. Die Erfüllung dieses Abenteuers versage ich mir: Allein schon der Gang zum Kassenhäuschen durchs Gedränge der hier wimmelnden Jahrmarktsbesucher erscheint riskant, und der Aufstieg auf einer für mich nur verschwommen erkennbaren Treppe zur unübersichtlichen Plattform, von wo aus zur Himmel-und-Hölle-Fahrt gestartet wird, birgt wohl erst recht Tücken – ein Wagnis, das auf mich zu nehmen ich als unnötig erachte, versetzt mich doch die  Stimme in einen vollends glücklichen und schwebenden Zustand, der keiner weiteren Steigerung bedarf. Die Stimme kann ich geschützt in meiner Nische neben einer Würstchenbude ohnehin besser geniessen als auf der sausenden Fahrt hinauf in den Himmel und hinunter zur Hölle, eingepfercht in einer windigen Kabine. Für meine Verhältnisse spät in der Nacht verdrücke ich mich taumelnd nach Hause. Wie ich die folgenden Stunden verbringe, die Nacht durchlebe, den nächsten Morgen überstehe? Ich schwanke zwischen Himmel und Hölle, schwelge vorerst im Glück der Erinnerung an die Stimme, doch zunehmend ergreift mich ein schmerzliches süchtiges Sehnen, bis ich am nächsten Nachmittag erneut zum Rummelplatz strebe, gierig bereit, der berauschenden Stimme zu lauschen. Von wo aus nur spricht die Begnadete, sendet sie ihre ergötzlichen Worte in den Herbst und zu mir, streut sie ihre Rede unters Jahrmarktsvolk? Um es herauszufinden, verlasse ich meine Horch-Nische bei der Würstchenbude und schleiche nun doch ganz nah zum Kassenhäuschen, wo sich eine Schlange unternehmungsfroher Himmel-und-Hölle-Besucher gebildet hat. Durch eine Sichtscheibe starre ich ins Häuschen und sehe nur eine Frau, die Billete verkauft, keine Verzauberin. Ich forsche weiter und eruiere über der Plattform ein weiteres Häuschen – hier drin vermute ich sie; meine Sehschwäche erlaubt keine genaue Erkundung… Dann plötzlich verstummt die Zauberstimme, und da ich immer noch unverwandt zum hohen Häuschen spähe, wähne ich zu sehen, wie dort eine nebulöse weibliche Gestalt erscheint, die, ihren Mantel zuknöpfend, aus dem Eingang tritt, die Türe schliesst und sich anschickt, auf der Leiter zur Plattform hinunter zu steigen, von wo aus sie, deutlicher erkennbar, auf einer Treppe direkt auf mich zukommt. Ganz nah geht sie an mir vorbei, mustert mich, den ihr Unbekannten, mit intensiv fragendem Blick, wie mir scheint, und mischt sich dann unters Jahrmarktspublikum, das sie mit ihrer klingenden Stimme eben noch bezirzt hat. Das ist sie, die Verzauberin – keine gewöhnliche Jahrmarktsfrau; ich sehe eine selten aparte Dame, eine menschliche Göttin, vielleicht eine ausgebildete Schauspielerin, die vom Besitzer der Himmel-und-Hölle-Bahn als Sprecherin engagiert wurde… Zutiefst bewegt bemühe ich mich, die Kostbare, die sich mir endlich zeigt, nicht aus meinen getrübten Augen zu verlieren – was schwierig ist in der Menschenmenge, durch die sie nun schreitet, quer über den Rummelplatz Richtung Einkaufsstrasse, die zum Stadtzentrum führt. Die Abendsonne blendet mich; sie hängt tief im Westen hinter der Stadt und durchflutet mit ihren Strahlen die Einkaufsstrasse. In ihrem Feuerglanz verschwindet die Zauberin. Am nächsten Tag ist auch der Jahrmarkt verschwunden. Auf dem vom Rummel entleerten Platz stehen Lastwagen mit den zusammengeklappten Bestandteilen der Himmel-und Hölle-Bahn, bereit zur Abfahrt zum nächsten Jahrmarkt in einer mir unbekannten Stadt. Der Platz hat den Zauber verloren. Das Suchtmittel wurde mir entzogen; meine Sehn-Sucht bleibt ungestillt.

Felix Feigenwinter (2008)

Ein Träumer

Von  Felix Feigenwinter

Seine Eltern hatten ihn über die grüne Grenze aus dem Kriegsland gerettet, auf der Flucht vor den Mördern ihrer eigenen Eltern. In der neuen Heimat wurde der Friedenstraum mit Glockengeläut und stolz gehissten blutroten Fahnen gefeiert, auf denen schneeweisse Kreuze ohne Haken prangten; die Fahnen flatterten im wonnigen Frühlingswind. Seine Überlebensgeschichte anvertraute er mir zwanzig Jahre danach in der unversehrten Gemütlichkeit einer Gaststube, deren Wandgemälde die Schrecken zweier Weltkriege überstanden hatten; später wichen die dunkelfarbigen Bilder aus einer versunkenen Zeit einem unverbindlich-heiteren Design. Im  renovierten Restaurant konnte ich ihn nur dreimal erleben. Das erste Mal bemerkte ich, wie er in der Begleitung einer älteren Dame das Lokal betrat, die für ihn, als sei er blind, die Glastür aufstiess und hielt. Er hatte mich nicht gesehen, und ich liess die beiden ungestört; die Dame hielt ich für seine Mutter. Das zweite Mal, an einem sonnigen späten Nachmittag, sass ich draussen vor dem Restaurant. Er verhielt sich wie ein Schlafwandler, setzte sich zu mir und bestellte ein Frühstück; die Kellnerin hielt ihn für einen Witzbold, denn der Tag war wie gesagt nicht mehr jung, und Frühstück gab’s nur morgens bis elf Uhr. Aber mein Bekannter, der als Filmkritiker arbeitete, meinte es ernst; er hatte in der Nacht einen Bericht für eine Zeitung geschrieben und anschliessend bis in den Nachmittag hinein geschlafen; als er erwachte, glaubte er, es sei noch Morgen. Das dritte Mal erwartete ich ihn an einem regnerischen, gewitterigen Spätsommermorgen in der renovierten Gaststube. Als er eintreten wollte, übersah er die Glastür, in die er stolpernd fiel, sie unabsichtlich zertrümmernd; blutüberströmt lag er nun im Scherbenhaufen. Schon abends starb er dann unerwartet – viel zu jung! – in der Klinik, in deren Notfallstation man ihn operiert und verbunden hatte. Seine Gabe, am heiterhellen Tag mit offenen Augen zu träumen, hatte uns verbunden. Seine Fähigkeit, unsichtbare Grenzen zu durchbrechen, kostete ihn das Leben.

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Ein unerklärlicher Fall

Von Felix Feigenwinter

Es spreche da die Leitstelle der städtischen Verkehrsbetriebe, behauptete eine sonore Stimme durch die Tramlautsprecher; auf der Strasse zwischen Pauluskirche und Margarethenbrücke sei der Tramverkehr ab sofort wegen eines aussergewöhnlichen Vorfalls gesperrt. Der Einsatz von Extrabussen sei nicht möglich. Es werde gebeten, die betreffende Strecke entweder zu umfahren oder zu Fuss zurückzulegen; man danke für die Geduld und das Verständnis.

Die Meldung erweckte bei den Frühaufstehern weder Geduld noch Verständnis. Mürrisch ergoss sich die schläfrige Masse aus dem Tram auf die Strasse, wälzte sich über die vom hellen Osthimmel fahl erleuchtete Brücke, an deren entferntem Ende, wo eine  Baustelle war, ein riesenhaftes Sprungkissen die Fahrbahn versperrte, sich Leitern in den wolkenlosen Himmel reckten.  Über die Strasse ragte horizontal der Metallarm eines Baukrans, auf dem ein menschliches Lebewesen kauerte. Neugierige blieben stehen, spähten zur Unbekannten in der luftigen Höhe, stauten sich zu einer dunklen Ansammlung stummer Empörungsgenossen. Die Begierde zur Revolte wurde spürbar, blieb aber im Korsett jahrzehntelang eingeübten Disziplinierungsverhaltens eingeschnürt.

„Wir finden alle!“ rief nun ein zuoberst auf einer der Leitern angelangter Beamter des Polizeidepartementes zur offensichtlich verängstigten Frau.

Aber die Unbekannte befreite sich aus ihrer Kauerstellung, in der sie offenbar die Nacht verbracht hatte, und begann sich ihrer Kleidung zu entledigen. Der Rock, ein schönes blaues Tuch, flatterte zu Boden, hinterher purzelten die Schuhe. Plötzlich sprang die Frau vom Metallarm und fiel, zum Entsetzen der Gaffer, in die Tiefe, nicht aufs bereitgehaltene Sprungkissen, sondern in umgekehrter Richtung, in die endlose Weite des lichtdurchfluteten Morgenhimmels, klein und kleiner werdend bis zur Unsichtbarkeit. Wie ein entschwindender Luftballon.

„Ist heute Mariä Himmelfahrt?“ witzelte ein Schüler aus der erstarrten Menge. „Wenn man bedenkt“, sinnierte dagegen ein Herr, der sich als Betriebsökonom zu erkennen gab, „welchen Schaden ein solcher Vorfall verursachen kann… wie viele Personen nun wohl zu spät zur Arbeit kommen?“ Ein Rentner entfaltete ein sorgfältig gebügeltes Taschentuch, schnäuzte wütend hinein und murrte: „Ich habe es satt, Leute zu bewundern, die um jeden Preis originell sein wollen. Und das alles auf Kosten der Steuerzahler!“ Nur eine Serviertochter, die in einem nahen Café angestellt war, äugte immer noch zum wolkenlosen Himmel, wo die aufsteigende Sonne einen strahlenden Tag verhiess: „Es gibt noch Wunder!“

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Das Rufen der Mutter

Von Felix Feigenwinter

An einem strahlenden Frühlingstag im April, nachdem der Wirt „Hinausstuhlen!“ befohlen hatte, trug Ueli Moser Getränke ins Freie, die unter knospenden Kastanienbäumen sitzende Gäste bestellt hatten. Weil er ein verhinderter Buchhändler und kein ausgebildeter Kellner war, konzentrierte er sich auf die für ihn ungewohnte Arbeit mit angestrengter Aufmerksamkeit, um die ihm anvertrauten Aufgaben möglichst tadellos zu verrichten. Doch während er das grosse Servierbrett mit vielen gefüllten Tassen und Gläsern sorgfältig aus dem Gasthaus in den Garten balancierte, vernahm er unerwartet die Stimme seiner Mutter. Diese spazierte zufällig am Gartenrestaurant vorbei und entdeckte den Sohn, der soeben das beladene Tablett heraustrug. Sie rief seinen Namen: „Ueli!“, und das Tablett schmetterte auf den Kiesboden. Die ausgeschütteten Flüssigkeiten,  Scherben zerbrochener Gläser und Tassen, über den Kiesboden verstreute Kaffeelöffel, aber auch die teils erschrockenen, teils empörten, teils hämischen Blicke von Gästen, sogar das gutmütige Lachen des Gastes, über dessen Hose ausgeschüttetes Bier geflossen war, und die wohlmeinende, beschwichtigende Bemerkung dieses Herrn: „Scherben bringen Glück!“ verwirrten Ueli so sehr, dass er ausserstande war, das Rufen seiner Mutter, die er schon seit vielen Monaten nicht mehr gesehen hatte, angemessen zu erwidern.

Da der Wirt seinem Hilfskellner vorwarf: „Sie machen mir meine Gäste kaputt!“, war Uelis junge Kellnerlaufbahn bereits beendet. Aber der Gast, dessen Hose mit Bier überschüttet und dessen Frühlingspullover mit Kaffeespritzern befleckt worden war, ein Herr Bader, zeigte Mitleid und war hilfsbereit; er bot Ueli eine neue Stelle in seinem Laden an. Herr Bader war Buchhändler wie Uelis früherer Chef, Ivo Schluchzer, der in einer Vollmondnacht schwer verschuldet in den die Stadt durchquerenden Fluss gestürzt und ertrunken war. Dieser Tod hatte Ueli gezwungen, seine Buchhändlerlehre abzubrechen und vorübergehend als Aushilfskellner zu arbeiten.

Doch nun konnte Ueli Moser fortan wieder in einer Buchhandlung Kunden bedienen und Geld verdienen!

In Herrn Baders Geschäft verbrachte Ueli ruhige Zeiten. Der Chef liess ihn stunden-, manchmal tagelang allein zwischen den dicht neben- und übereinander versammelten Büchern. Den engen, schmalen Altstadtladen betraten meist ruhige Menschen, die Uelis Beratungsbereitschaft nur sparsam beanspruchten, in sich versunken den hohen Regalen entlangschnüffelten oder wortkarg vor dem Tisch verharrten, auf dem sich die Neuerscheinungen türmten. Viele dieser Bücherwürmer, meist vertraute Stammkunden, schienen kein Interesse an einem Gespräch mit dem Hilfsbuchhändler zu bekunden; sie begnügten sich mit einigen banalen Bemerkungen an der Kasse, wo Ueli den Verkaufspreis der ausgewählten Ware registrierte, das Geld entgegennahm und die Bücher auf Wunsch manchmal in ein Geschenkpapier wickelte und in einer Plastiktüte versorgte. Obwohl Ueli seine Buchhändlerlehre nie beendet hatte, hielt er sich selber für einen gut informierten Literaturfreund, der sein Wissen gerne an Rat suchende Kunden weitergegeben hätte.

Sorge bereitete ihm der spärliche Kundenzustrom. Er fragte sich, ob der schleppende Bücherverkauf Herrn Bader nicht doch eines Tages dazu veranlassen müsste, seinen kleinen altmodischen Laden aufzugeben und seinen einzigen Angestellten zu entlassen. (In der liquidierten Buchhandlung des im Strom ertrunkenen einstigen Lehrmeisters Schluchzer, wo freilich mehrere Angestellte beschäftigt waren, hatte ein weitaus lebhafterer Betrieb geherrscht, und trotzdem ging das Geschäft bankrott.) Aber Herr Bader versuchte Uelis diskret vorgebrachte Bedenken mit einem flotten Spruch zu zerstreuen; er sei ein leidenschaftlicher Buchhändler, verstehe aber trotzdem etwas von Buchführung, sagte Herr Bader, der alles Administrative stets selber oder durch seine Frau erledigt haben wollte; in die Gewinn- und Verlustrechnungen und die Jahresbilanzen gewährte er Ueli keinen Einblick.

So verweilte Ueli in Herrn Baders Laden, ohne dass er seine Mutter wieder gesehen hätte, die seit dem frühen Tod seines depressiven Vaters mit einem fremden Mann zusammen lebte.

An einem trüben Nachmittag war Ueli damit beschäftigt, einer jungen Kundin, die er zum erstenmal bediente, mittels Computersuche einen Buchtitel ausfindig zu machen, als die Witwe Monika Moser, Uelis Mutter, die Buchhandlung betrat. Der Sohn erschrak; er drückte auf eine falsche Taste, so dass das Computerprogramm abstürzte. Auch die Mutter erstaunte Uelis Anwesenheit in diesem Laden, sie rief überrascht: „Ueli!“

„Einen Moment, bitte, ich bin gerade beschäftigt“, antwortete der Sohn mit einer Verzweiflung in der Stimme, die die junge Kundin aufhorchen liess, und er fuchtelte mit der linken Hand in die Richtung, wo seine fassungslose Mutter stand, als ob er ein Gespenst vertreiben wolle.

Nachdem er den eher ausgefallenen Wunsch der Kundin endlich befriedigt hatte (sie suchte die vor vielen Jahren im Luchterhand-Verlag erschienenen „Windgeschichten“ von Adelheid Duvanel, ein Buch, das nur noch antiquarisch erhältlich war, und Ueli konnte die Rarität im Internet ausfindig machen und für die junge Frau bestellen), wandte er sich an seine wartende Mutter.

Ihre Küsse erwiderte er mit einem verstörten Lächeln, und geduckt lauschte er ihren Worten:

„Du hast dich lange nicht mehr gemeldet, lieber Sohn, ich habe versucht, dich zu finden, aber du bist umgezogen. Meine Briefe kamen zurück, weil die Adresse nicht stimmte. Das Letztemal sah ich dich im Wirtshausgarten, wo du Kellner warst! Ich wusste nicht, dass du wieder als Buchhändler arbeitest… das passt besser zu dir! Besuche uns doch bitte einmal!“

Ueli lächelte gequält, spähte immer wieder zur Ladentür, um zu sehen, ob vielleicht neue Kundschaft das Lokal beträte, was freilich nicht der Fall war.

„Du weisst, dass ich meinen sogenannten Stiefvater nicht leiden kann“, versuchte er nun zu erklären, „und er mag mich nicht. Es hat keinen Sinn, dass ich euch besuche. Das gibt unerträglichen Streit, das solltest du doch nun wirklich wissen!“

„Dann könnten wir uns beide einmal draussen in einem Café treffen? Nur wir zwei!“, bettelte die Mutter.

„Ja, vielleicht“, wich Ueli vage aus, „aber nicht in diesem Laden! Hier muss ich mich auf meine Arbeit konzentrieren… sonst gehe ich kaputt!“

„Keine Angst!“, beschwichtigte die Mutter; ihre Augen wurden wässerig. „Ich wusste nicht, dass ich dich hier finde! Ich wollte ein Büchlein für meine Nachbarin kaufen. Ich besuche sie morgen im Krankenhaus, sie musste sich operieren lassen.“

Ueli beriet und bediente seine Mutter, wickelte das Büchlein, Texte der Solothurner Dichterin Olga Brand, in Geschenkpapier, versorgte die Gabe in eine Plastiktasche und geleitete die Mutter zum Ausgang, wo er sich küssen liess.

„Ich werde mich schriftlich bei dir melden, ich versprech’s!“, rief er ihr nach, in die Altstadtgasse hinaus, in der sich die Mutter zögernd entfernte. Dann zog er sich in den menschenleeren Laden zurück, wo er auf einen Stuhl sank und sein Gesicht in beide Hände vergrub. Er entsann sich des Rufens der Mutter aus einem Fenster des Hauses, wo er einst vor dem Tod seines Vaters zusammen mit den Eltern gewohnt hatte. Als kleines Kind verbarg er sich oft im Garten hinter dem Haus in einem Strauch; die vertraute Stimme, die „Ueli!“ rief, drang in sein Versteck, aber die Mutter konnte ihn nicht sehen; er fühlte sich geborgen.

Aber nun betrat ein Mann den Laden, Herr Hatt, ein Stammkunde, der Sachbücher kaufte, die Ueli nicht interessierten. Während Ueli Herrn Hatt bediente, überfiel ihn ein Weinen, was Herrn Hatt missfiel.

Ueli unterliess es, sich zu entschuldigen.

*

Am Himmel gleissten Lichtflecken, doch ungestüme finstere Wolken verdüsterten die Stadt; durch die Strasse hastete ein kühler Wind. Es war nun Sommer, Ende Juni, aber Ueli wurde von einer herbstlichen Stimmung erfasst, als er das Tram verliess. Dämmer umfing die Häuser, obwohl der Abend noch jung war. Aus der benachbarten Parkanlage wirbelten vereinzelte Baumblätter zur Tramhaltestelle. Ueli wunderte sich über die sonderbare Veränderung – als er das Tram in der Innenstadt bestiegen hatte, wähnte er sich, sonnenbeschienen, noch in sommerlicher Stimmung. Nun stolperte er, als er dem Fussgängerstreifen zustrebte, über den Randstein, vielleicht über ein anderes hartes Hindernis, das er übersehen hatte, wie ihm schien. Jedenfalls stürzte er, Kopf voran, auf den Asphalt.

Da er in der linken Hand ein Büchlein umklammerte, das er sich in Herrn Baders Laden eingepackt hatte, um es seiner Mutter zu schenken, die er morgen Sonntagabend in einem nahen Restaurant zu treffen beabsichtigte (Luisa Famos, Poesias Gedichte, erschienen 1995 im Arche Verlag , Zürich), war es ihm nicht gelungen, den Aufprall seines Gesichts auf dem Boden abzufangen. Als er aus einer kurzen Ohnmacht erwachte, umringten ihn drei hilfsbereite Frauen. Die eine reichte ihm die Brille, die er beim Sturz verloren hatte und die nun zerbrochen war. Eine andere steckte ihm, nachdem sie ihm beim Aufstehen geholfen hatte, eine Packung Papiertaschentücher zu, da seine zerschlagene Nase heftig blutete, aber die Aufforderung der dritten Passantin, sich in der Notfallstation des Kantonsspitals verarzten zu lassen, schlug er aus, da er unter keinen Umständen das Rendez-vous von morgen Abend verpassen wollte und nun befürchtete, er könnte im Spital Tage lang festgehalten werden. Erst während er wegflüchtete, hörte er eine beschwörende Stimme rufen: Man sollte den Kerl anzeigen, der Sie zusammengeschlagen hat!

Auch tags darauf war ihm elend zumute, und er beschloss, das Treffen am Abend zu verschieben. Er telefonierte seiner Mutter und erzählte ihr auf das Tonband von seinem Missgeschick. „Mein Gesicht ist bös entstellt“, teilte er ihr mit, „ich kann es nicht einfach abstreifen wie eine Fasnachtslarve. Meine Nase ist unanständig angeschwollen und mit einer schwarzroten Blutkruste umhüllt, mein Gesicht erinnert an eine Mischung zwischen Frankensteins Sohn und Graf Dracula. Wegen starken Blutergüssen sind meine Wangen aufgedunsen und schimmern violett-grünlich-schwefelgelb, meine Augenlider sind zugeschwollen und blutrot – ich bin eine aus einer Geisterbahn entsprungene Schreckensgestalt! Würde ich heute Abend dergestalt im Restaurant auftauchen, würde ich die gesamte Gästeschar vor den Kopf stossen und das Servierpersonal erschrecken. Zudem quält mich ein stechender Schmerz im linken Arm, unter meiner Schädeldecke brennt es verdächtig, ich vermute, eine Hirnerschütterung!“ Den unbekannten Rohling und dessen Faustschlag, den er verdrängt hatte, noch während ihn dieser traf, aber auch die Stimme, die ihn daran erinnerte, erwähnte Ueli nicht, als er zur abwesenden Mutter sprach.

Nun legte er sich ins Bett und versuchte, zu schlafen; das Läuten des Telefons ignorierte er.

Am nächsten Morgen, es ist Montag, ist Uelis Gesicht immer noch geschwollen und vielfarbig; die Schmerzen im Arm und Kopf haben sich kaum verflüchtigt. Seine Umwelt kann er ohne Brille nur noch verschwommen wahrnehmen. Trotzdem drängt es ihn zur Arbeit, denn Herr Bader, der Ladenbesitzer, ist mitsamt seiner Frau ins Ausland verreist; heute ist Ueli für das Oeffnen und Betreiben der Buchhandlung allein verantwortlich. Die blutverkrustete Nase versucht er unter einem grossen Pflaster zu verbergen. So erblickt ihn Frau Moser am späten Vormittag im Laden zwischen den Bücherregalen; sie beginnt sofort zu weinen, und der Sohn legt die Hand seines schmerzfreien rechten Arms tröstend auf die Schulter der Mutter.

Für die Pflege privater Sentimentalitäten bleibt indes nur wenig Zeit: Zwei ernsthafte Kunden betreten den Laden, verlangen Ueli als Buchhändler.

Am darauffolgenden Tag, abends, besucht Frau Moser ihren Sohn in dessen Wohnung. Ueli lässt sich von der Mutter verkrustetes Blut von der Nase ziehen. Und wieder verschweigt er, dass er auf der Traminsel nicht ungeschickt gestolpert war, wie er ihr erzählt hatte, sondern von einem Wildfremden geschlagen und zu Fall gebracht wurde, was er sich zuerst selber nicht hatte eingestehen wollen – eine vulgäre Hässlichkeit, die er von seiner Mutter unter allen Umständen fernzuhalten gedenkt.

Zusammen betreten sie nun den kleinen Balkon der Zweizimmer-Mietwohnung und betrachten den Abendhimmel.

„Dieses Licht, diese Wolken!“, staunt die Mutter.

Eine Wolke schiebt sich zwischen die Industrieschlote am westlichen Rand der Stadt, verdeckt den Glanz der untergehenden Sonne. Der Schatten der Wolke verfinstert den Balkon; Ueli und seine Mutter stehen unversehens im Dunkeln.

Noch in der selben Woche, Freitag abends, begleitet Uelis Mutter ihren Lebenspartner, den Wachmann Hugo L., zu einer Veranstaltung im Fussballstadion. Auf dem Weg dorthin gehen sie am Restaurant vorbei, wo Ueli im Frühjahr seine Stelle als Kellner verloren hatte, weil er das Rufen der Mutter vernahm. In Erinnerung daran späht Frau Moser beim Vorbeigehen in den Wirtshausgarten. Und wieder entdeckt sie den Sohn. Er tummelt sich unter Leuten in bleichen Nachthemden und schwarzen und roten Tüchern, deren fahl geschminkte Gesichter mit dunklen Augenringen und phantastischen Perücken den Garten gespenstisch verwandeln; die verkleideten Quartierbewohner trinken unter den mit Lampions und Girlanden behangenen Bäumen an langen Tischen Wein und Bier, oder sie bewegen sich zum leidenschaftlichen Spiel eines Tangoorchesters bizarr. Ueli tanzt mit einer schwarzen Frau, deren Vampirzähne im Abenddämmer schimmern.

Frau Moser betrachtet die ungewöhnlichen Vorgänge mit zunehmender Heiterkeit; ihr Wachmann ist mürrisch gestimmt. „Verrücktes Pack!“, schimpft er, „ein neuer Wirt, ein Durchgeknallter – der alte hätte so etwas nie zugelassen!“ Gehässig drängt er Frau Moser, den Gang zum Fussballplatz fortzusetzen.

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Das Lachen in der Nacht

Von Felix Feigenwinter

Louis, ihr erster Ehemann, der ein Zyniker war, von dem sie sich scheiden liess, nachdem sie Bruno kennengelernt hatte –  Louis also, der nie herzhaft gelacht, nur manchmal gegrinst hatte, zitierte genüsslich, was er irgendwann irgendwo aufgeschnappt hatte: Lachen sei die eleganteste Art, seinen Feinden die Zähne zu zeigen. Daran musste Gisela denken, wenn Brunos Stimme aus der Kammer drang.

Bruno war kein Zyniker, und das Blecken seines ramponierten Gebisses, das sie sich vorzustellen versuchte, wenn sie sein einsames Lachen vernahm, schien Melancholie auszudrücken, Verzweiflung vielleicht – keinen Hochmut.

Manchmal brach sein Lachen aus seinem Schlafzimmer, das durchs Wohnzimmer von dem ihren getrennt war, durch sein offenes Fenster, und dann drang es von draussen durch ihr Fenster. Das geschah  in der warmen Jahreszeit, während linden Frühlings- oder schwülen Sommernächten, und manchmal auch an Herbstabenden, wenn der Föhn die Stadt bedrückte. Eigentlich war es kein richtiges Lachen, eher ein heiseres Bellen. Es löste sich aus einem unbestimmten nächtlichen Dröhnen, und zuweilen war es kaum unterscheidbar vom durchdringenden Heulen aus irgendwelchen fremden Wohnungen oder vom Jaulen der Katzen, die durch die Vorgärten streunten. Nein, Brunos Lachen war alles andere als heiter; aber zunehmend befürchtete sie, dass es seine einzige Aeusserung sei, die sie nach zwanzigjähriger Ehe noch berühre.

Tagsüber war Bruno in einem Büro stationiert, das sich in einer Holzbaracke auf dem Gelände eines Güterbahnhofs am Rande der Stadt befand. Dort erledigte er Schreibarbeiten, füllte sachkundig Formulare aus; zwischendurch streunte er durch die zügigen Hallen des Güterbahnhofs, wo er Transportgüter aufspürte, die er für die Zollabfertigung bereitzuhalten hatte. Manchmal, auch wenn die Sonne brannte, es regnete oder schneite, ging er draussen durch die weiten Geleiseanlagen entlang den Güterzügen. Während den Arbeitspausen sass er in der Holzbaracke mit Berufskollegen zusammen, ass dicke Schinkenbrote und Essiggurken und trank Bier oder Wein. Es wurde  viel Bier und Wein getrunken in der Baracke; es hiess, die Baräckler seien Alkoholiker.

Zu jener Nachtstunde lag Gisela noch nicht im Bett. Wie stets, nachdem sie abends in einem Restaurant in der Innenstadt gearbeitet hatte, benützte sie den letzten Bus, den sogenannten Lumpensammler, der späte Heimkehrer in die Aussenquartiere brachte. Wäre sie zuhause gewesen, hätte sie das Lachen kaum erreicht, denn es war Herbst; ein kühler, nasser Wind durchwehte die Stadt. Ihr Schlafzimmerfenster war geschlossen, und es wäre es bestimmt auch gewesen, wenn sie den Abend daheim verbracht hätte.

Das Lachen entwich dem einzigen offenen Fenster des Hauses, dessen Fassade im Schein der Strassenbeleuchtung an eine Theaterkulisse gemahnte. Vor ihr tauchte die schwankende Gestalt eines Betrunkenen auf. Sie erkannte Hansjörg Stöckli, einen Alkoholkranken, der im Nachbarhaus zusammen mit seiner betagten Mutter wohnte. Einen Augenblick lang erwog sie, umzukehren, in eine Nebenstrasse auszuweichen, durchs nächtliche Quartier zu schleichen, bis der unangenehme Nachbar verschwunden sein würde. Aber die Kälte der Herbstnacht durchsickerte ihre Kleider und griff nach ihren Eingeweiden.  – Eines Morgens hatte sie Stöckli im kleinen Vorgarten entdeckt, wo er in einem Strauch sass, in den er offenbar gekippt war; hilflos umarmte er einen zerzausten Rosenstrauss aus einem Blumenladen. Sie hatte dem Sternhagelvollen auf die Beine geholfen und ihn zur Wohnungstür geführt, wo ihn die Mutter empfing; die alte Frau bedankte sich bei Gisela  und entschuldigte sich für ihren Sohn; sie habe heute Geburtstag, erklärte sie und  versuchte, den zerfledderten Blumenstrauss  zu ordnen. – Jetzt,  nach Mitternacht,  schien  Stöckli Gisela nicht zu erkennen. Als sie sich ihm näherte, knöpfte er die Hose auf und begann, enthemmt, wie er war,  auf die Strasse zu pinkeln. Mit einem Sprung zur Seite verhinderte sie, vom Urinstrahl getroffen zu werden. Nun war sie  nicht mehr bereit, sich um die tragische Figur  zu kümmern.

Vorsichtig öffnete sie die Haustür. Sie drückte auf den rot leuchtenden Knopf, und sie stieg fast lautlos durchs matt beleuchtete Treppenhaus. Sie schlich in die Wohnung, vorbei am Kakteenfensterbeet, das Bruno einst eingerichtet hatte und das er immer noch regelmässig begoss. Durch den Türspalt erspähte sie die Dunkelheit, wo er sich versteckt hielt. Vorher, als sie auf der Strasse gegangen war, hatte Licht aus der Kammer geschienen. Vielleicht war Bruno im Bett noch wach gelegen und hatte ihre Heimkehr bemerkt; jetzt stellte er sich schlafend. Leise schaudernd ging sie weiter, vorbei am unbewohnten Kinderzimmer, dessen Türfalle sie sachte berührte, eine Gewohnheit, die ein verständnisloser Beobachter vielleicht als Verschrobenheit gedeutet hätte. (Bruno war diese Eigenart vertraut; er hatte sie zum erstenmal nach dem Auszug des Kindes aus der Wohnung wahrgenommen, und es hätte ihn beunruhigt, wenn Gisela eines Tages darauf verzichtet hätte.) Im Wohnzimmer öffnete sie die angelehnte Tür ihres eigenen Schlafgemachs. Sie stellte die Handtasche auf die Kommode und begann, die Kleider auszuziehen. Sie streifte das Nachthemd über, ging nochmals durchs Wohnzimmer ins Vestibül und durch die Küche zur Toilette; danach blieb sie in der Küche. Bestrahlt vom Neonlicht am Klapptisch sitzend, verschlang sie eine Bratwurst, die sie wie abwesend aus dem Kühlschrank geholt hatte, ohne die Holzschüssel mit dem Kartoffel- und Tomatensalat zu beachten, die daneben bereitstand.

Kurz darauf durchstreifte Bruno mit einem Pyjama bekleidet die Küche, um die Toilette zu erreichen. Wortlos wie ein Gespenst verschwand er, und Gisela betrachtete das zerfledderte Spinngewebe, das über dem geschlossenen Küchenfenster von einem rätselhaften Luftzug unaufhörlich leise durchweht wurde und an die sonst nackte Decke zitternde Schatten warf. Bruno kehrte zurück und blieb vor Gisela stehen. Nun starrte er auf den kahlen Teller, wo die Wurst gelegen hatte, und seine vorwurfsvollen Worte, die er deutlich auszusprechen versuchte, vermischten sich mit dem Rauschen sprudelnden Klowassers:

„Du hast die Wurst kalt gegessen, ohne Senf und Brot. Und den Salat hast du stehengelassen; die Kartoffeln und die Tomaten würden dir gut tun!“

Der Mann wirkte zerzaust, sein Gesicht war schattenbehangen, das Haar türmte sich zu einer wilden, wirren Mähne. Seine Alkoholfahne hätte Gisela überprüfen können, indem sie auf ihn zugegangen wäre und sich hätte küssen lassen; aber sie verzichtete darauf.

Als sie sich vor über fünfundzwanzig Jahren kennenlernten, spielte Bruno hauptberuflich  Saxophon. Er war ein leidenschaftlicher, kein ausgebildeter Musiker. Mit seiner Band trat er an Hochzeiten, an Firmenanlässen und an Volksfesten auf, und dreimal wöchentlich spielte er in einem eher obskuren Nachtlokal, wo kein gediegenes Publikum verkehrte, wie sich Gisela erinnerte; vor allem Betrunkene hatten sich an Brunos Musik ergötzt. So war Gisela erleichtert, als er nach der Geburt der Tochter das Lotterleben als freischaffender Musikant mit einer Anstellung bei einer internationalen Transportfirma eintauschte; Brunos Eltern hatten auf dem Abschluss einer Berufsausbildung bestanden, und sie schienen beruhigt, ihren Sohn nun im Schosse eines etablierten Arbeitgebers beschäftigt zu wissen; „jetzt hast du eine gesicherte Existenz!“, hatte der Vater frohlockt. Dem desavouierten Musiker entging indes keine Gelegenheit, zu beteuern, wie sehr er es hasse, ein Leben im Schraubstock führen zu müssen, wie er es nannte. Als Angestellter würde er langsam, aber sicher zum seelischen Krüppel, klagte er Jahre lang. Nachdem er auf dem Flohmarkt, gewissermassen demonstrativ, seine beiden Saxophone verschachert hatte, verfiel er immer mehr trotziger Eigenbrötelei.

„Du siehst schlecht aus“, bemerkte Gisela nun mit kühler, sachlicher Stimme, und sie hätte noch beifügen können: „Du bist ein armer Tropf!“, aber das hätte sie übertrieben gefunden.

Ohne seine absurde Nörgelei zu zerstreuen, verzog sich Bruno, mit der linken Hand unkontrolliert im Haar kratzend, und sie hörte, wie er seine Schlafzimmertür hinter sich schloss.

Gisela erhob sich. Sie zündete eine Zigarette an, deren Rauch  sie einsog, während sie in der Küche hin- und herging. Später öffnete sie das Küchenfenster. Dort verharrte sie minutenlang. Durchs spärlich belaubte Baumgeäst erblickte sie am Rand der Hintergärten die Mauern von Nachbarhäusern; einige Fensterscheiben schimmerten. Eine Maueröffnung gab den Blick in eine gelb erleuchtete Kammer frei; zwei Gestalten umarmten sich reglos. Durch ein anderes Fenster leuchtete rotes Licht.

Nachdem sie ihr Schlafzimmer aufgesucht und sich ins Bett gelegt hatte, versank sie widerstandslos in Traumbildern, aber bald wurde sie durch schrilles Läuten geweckt. Sie angelte den Telefonhörer ans Ohr; es meldete sich Käthi. Das Gespräch dauerte kurz. Gisela hastete zu Brunos Schlafzimmertür, wo sie klopfte, polterte und rief, bis von innen geöffnet wurde. Infernalischer Gestank verschlug ihr den Atem; dicke, schweflige Luft ergoss sich durchs offene Fenster in die Schlafkammer, erfüllte diese schon restlos.

„Bist du bei Trost?!“ schrie Gisela; „Käthi hat angerufen. Ein Chemieunfall! Die chemische Fabrik brennt! Und dein Fenster steht sperrangelweit offen!“

„Ich weiss“, lallte Bruno schläfrig, und er tappte zum Fenster, um es zu schliessen, „ich habe die Sirenen gehört… Wir werden vergiftet.“

„Komm raus aus diesem Gestank!“, rief Gisela und drängte den Mann, die Türe hurtig zuzumachen. Durchs Vestibül schob sie ihn ins Wohnzimmer, und von dort zog sie ihn in ihre Kammer. „Hier stinkt es nicht so entsetzlich. Stell den Transistor an! Käthi hat gesagt, am Radio bringen sie ständig die neuesten Katastrophennachrichten.“

So lauerten sie eng umschlungen in Giselas Bett, zwei verschüchterte Kreaturen, an die Grenzen ihres Daseins gedrängt. Erst, als der Morgen dämmerte, als die Angst allmählich wich, lösten sie sich aus der Umklammerung, misstrauisch durchs geschlossene Fensterglas in den nur fahl beleuchteten Garten spähend, wo ein verstörter Krähenschwarm einflatterte, sich auf den Baumgerippen versammelte; die belegte Stimme des Radiosprechers hatte soeben „Endalarm“ verkündet.

Eine Stunde später verliessen Bruno und Gisela die Wohnung,  traten zusammen in den düsteren Herbstmorgen. Vor dem Haus standen zwei Sanitätsautos. In einen dieser Wagen wurde eine Bahre getragen, auf der  Frau Stöckli lag, Hansjörgs Mutter. Sie sei in der Nacht gestorben, sagte der Sanitäter, der den  betrunkenen Sohn zum anderen Auto führte.

„Gottseidank ist Frau Stöckli erlöst worden“, sagte Gisela, nachdem die zwei Transportautos weggefahren waren und das Ehepaar zur Bushaltestelle weiterging. „Sie konnte einem leid tun. Es war nicht mehr mitanzusehen!“

„Für den Sohn wird es nun schwierig“, bemerkte Bruno; „ohne seine Mama!“

„Auch für ihn gibt’s wohl eine Lösung“, antwortete Gisela; „vielleicht wird er endlich erwachsen.“

Im Bus, auf der Fahrt in die Innenstadt, sassen sich Gisela und Bruno gegenüber, eingepfercht im Gedränge schweigender Fahrgäste. Bruno bleckte stumm sein Gebiss.

Gisela lächelte.

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Besuch beim Geier

Von Felix Feigenwinter

An einer Schnur, die von der kleinen Hand eines Mädchens gehalten wurde, schaukelte ein gelber Luftballon, der an eine Banane erinnerte, jedoch die Mondsichel darstellte. Der Ballon war mit dunkelblauen Sternchen dekoriert. Er schwebte zwischen den Köpfen der Gäste und dem immer noch grünen Laub der Bäume, die das Boulevardcafé säumten. Eine dunkle Wolkendecke überzog den Himmel, aber es regnete nicht. Die Mutter des Kindes, das den Ballon hielt, sprach mit einer anderen jungen Frau; beide Frauen waren Florian vertraut. Nach einem langen Spitalaufenthalt trank er zum erstenmal ausserhalb der Klinik als Rekonvaleszent einen Espresso in der Stadt. Während der vergangenen Tage und Nächte hatten ihn diese Frauen im Krankenhaus betreut, seine Operationsschmerzen mit tröstenden Bemerkungen, liebevollen Berührungen und der Verabreichung heilender Pillen und Spritzen besänftigt. Als Florian gestern morgen das Spital verlassen musste, fühlte er sich traurig gestimmt. Beim Abschied hatte er sich für die erwiesene Hilfe herzlich bedankt, doch als sich eine der Pflegerinnen nach seinem Befinden erkundigte, verschwieg er seinen Schmerz. Nun erhoben sich die beiden, die er von seinem Spitalaufenthalt kannte und die hier ihre Freizeit verbrachten, um mit dem Kind und dem gelben Ballon das Boulevardcafé zu verlassen. Florian winkte, aber die Frauen schienen ihn nicht zu erkennen, was ihn nicht erstaunte, da er mit Mütze, Brille und Mantel gewiss anders aussah als die hilflos im Spitalbett liegende Kreatur. Die Pflegerinnen hatten ihn als schwer Verwundeten nackt oder ins bleiche Spitalhemd gehüllt in Erinnerung; der gewöhnlich verkleidete, Espresso schlürfende ältliche Herr im Boulevardcafé musste ihnen fremd erscheinen.

Obwohl er sich immer noch verletzt und schwach fühlte, spazierte er am späten Nachmittag vorsichtig durch den zoologischen Garten. Vor dem Gehege, in dem seit vielen Jahren ein Bartgeier gefangen war, verweilte er länger als gewöhnlich, nachdem ihn dieser grosse Vogel zum erstenmal, seit er ihn besuchte, begrüsst hatte, gezielt auf ihn zuschritt und wenige Meter vor ihm verharrte, um ihn aufmerksam zu mustern. Andächtig bewunderte der gegen das Versiegen seiner Lebenskraft kämpfende Florian das Gefieder des gefangenen Tiers, versuchte dem auf ihn konzentrierten und, wie ihm schien, nicht nur gierigen Blick zu widerstehen. Bevor er endlich weiterging, verbeugte er sich ehrfurchtsvoll. Der Aasfresser erwiderte die Geste tänzelnd, mit heftigem Flügelschlagen.

Weitere Texte von Felix Feigenwinter

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  Meine Schwester Adelheid

 

    Adelheid Duvanel 1956

Ein Selbstportrait der jungen Dichterin

vier Artikel von Felix Feigenwinter:

Persönliche Erinnerungen an meine Schwester Adelheid Duvanel-Feigenwinter (1936-1996)

Zwerg Julius und das Riesenfräulein

Adelheids Reisen ans Meer

Ein schwieriges Leben

3 Autoren

Autorenvorstellung in der Anthologie „Merkwürdige Geschichten aus Basel“ mit Texten von Adelheid Duvanel, Felix Feigenwinter und Gunild Regine Winter (1978, Mond-Buch Verlag Basel). – Zum Vergrössern Bild anklicken.

MEINE REISE INS LETZTE JAHRHUNDERT (journalistische und literarische Texte): http://feigenwinterfelix.npage.de

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Felix vor dem Schweizerhof Sils 24.Juli 2008

Felix Feigenwinter im Engadin

„ALLMÄHLICH ZIEHE ICH MICH ZURÜCK“

(Tagebuch-Einträge im Herbst 2015):

Allmählich ziehe ich mich zurück. (Bedürfnis eines Introvertierten, gegen Ende seines extravertierten Lebens ermattet und erschöpft Ruhe zu finden.) DIE ZEIT IST DER ABGRUND, IN DEN WIR FALLEN.

Denken klärt auf, ernüchtert, löst Rätsel – beunruhigt aber auch, wenn es Konventionen tabufrei hinterfragt und neue Fragen aufwirft, die nicht beantwortet werden können. (Der Philosoph Peter Sloterdijak sieht es drastisch: Denken heisse, „Feuer in Papiertüten transportieren“, erklärt er.)

DIE WAHRHEIT IST NICHT ZU ERMITTELN. Der französische Schriftsteller und Aufklärer André Gide empfahl: ‚Vertraut nicht denen, die die Wahrheit haben, sondern jenen, die sie suchen‘.

Glauben sollte trösten. Menschen wissen, dass sie sterben, aber sie wollen es nicht glauben. Der Schrecken über die Sterblichkeit ist ein menschliches Trauma; die Sehnsucht nach Ewigkeit ist aber denkerisch nicht zu befriedigen. Metaphern, Mythen und Rituale ergreifen die Seelen, erwecken Spiritualität.

WAS WÄRE DER MENSCH OHNE IMAGINATION?

Meditieren befreit, erlöst.

Meine 1996 verstorbene Schwester Adelheid antwortete einmal (gegen Ende der Neunzehnhundertfünfzigerjahre), als ich sie fragte, was sie sich wünsche: AUFLÖSUNG INS NICHTS.

Felix Feigenwinter, im Herbst 2015

Bevor ich sterbe

Noch einmal sprechen

von der Wärme des Lebens

damit doch einige wissen:

Es ist nicht warm

aber es könnte warm sein.

Erich Fried*

*Der Lyriker Erich Fried (1921-1988), nach England emigrierter Jude aus Wien, dessen warmherzige Gastfreundschaft wir geniessen durften, als meine Lebensgefährtin Gunild und ich am 27. Januar 1971 in London zivilrechtlich heirateten, begleitete uns als Trauzeuge ins Standesamt.  Felix Feigenwinter

Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Franz Kafka

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FelixundSteiner

Kurioser Schnappschuss aus dem Jahr 2001 (zum Vergrössern Bild anklicken): Eigentlich wollte die Fotografin die Fassade des Berner Rathauses (im Hintergrund) aufnehmen, doch im lauschigen Boulevard-Bistro im Vordergrund liess sich soeben der Bern-Besucher Felix Feigenwinter aus Basel (links) nieder, und am Tisch nebenan sass zufällig ein anderer weissmähniger Gast, der Schriftsteller Jörg Steiner aus Biel (rechts). So entstand dieses seltsame Bilddokument von einer Zufallsbegegnung zweier schimmelhaariger Schweizer Autoren in der Bundeshauptstadt Bern.

Jörg Steiner ist am 20. Januar 2013 gestorben. Felix Feigenwinter stellte das Foto 2015 ins Internet.

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PERSÖNLICHES, FAMILIÄRES

Am 14. Dezember 2016, an seinem 77. Geburtstag, verschickte Felix Feigenwinter an seine nächsten Verwandten einen „Geburtstagsbrief“, in dem er Gedanken und Assoziationen äusserte zu persönlichen Erinnerungen und zur Geschichte der Familie Lichtenhahn, der Stadtbasler Sippe der Mutter Elisabeth Feigenwinter-Lichtenhahn:

DIE HERKUNFTSFAMILIE LICHTENHAHN UNSERER MUTTER

Der Blick auf drei Bilder aus dem Nachlass der Herkunftsfamilie Lichtenhahn unserer Mutter lassen mich in die Welt meiner Ahnen mütterlicherseits versinken, ins alte Basel. Diese Bilder schmückten Jahrzehnte lang die Wohnungswände unserer Familie Feigenwinter in Liestal, bis sie im Zusammenhang mit dem Umzug unserer Eltern von der Liestaler Rotackerstrasse ins Oberwiler Altersheim an ihren „Geburtsort“ Basel zurückkehrten – sehr zu meiner Freude, denn seither kann ich sie wieder täglich betrachten. Das eine des Trio, ein kleines Ölgemälde, ist im Jahr 1844 von Mamme’s Urgrossvater Emanuel Friedrich Lichtenhahn (Liechtenhan) gemalt worden, der von 1817 bis 1894 lebte. Dieser (Freizeit-)Künstler wohnte in der Basler Altstadt bei der Peterskirche (das benachbarte Petersschulhaus, wo unser Daniel als Primarschüler ein- und ausging, war damals noch nicht gebaut…). Das erwähnte Bildchen, ein Stilleben mit traditionellem Motiv (ich würde es mit dem Titel „Vergänglichkeit“ versehen) zeigt ein massives Holzbrett, auf welchem verschiedene symbolträchtige Gegenstände versammelt sind: eine Kerze, deren Docht glimmt, ein Musik-Zupfinstrument, ein menschlicher Totenkopf, ein dickes Buch (wahrscheinlich eine Bibel), zwei Uhren (eine Sanduhr und ein Taschenührchen), eine Vogelfeder, eine Muschel, eine Vase mit einem Blumenstrauss, der von einem Schmetterling oder Falter umschwirrt wird. Ausserdem ein Blatt Papier (oder ein Tüchlein), auf dem zu lesen steht:

Der Tod ist gewiss, ungewiss

der Tag.

Die Stund auch niemand

wissen mag. 

Der selbe (Freizeit-)Künstler, Mamme’s Urgrossvater, also mein/unser Ururgrossvater, schuf auch das andere Stilleben, das schöne, grosse, dunkle, warme Ölgemälde aus dem lichtenhahn’schen Nachlass. Darauf zu sehen ist kein Totenkopf, aber wieder dieses dicke Buch, jetzt aufgeschlagen, darauf liegt eine Lesebrille, ausserdem stehen auf der mit einem schmucken Tischtuch bedeckten Tischplatte eine Kaffeetasse und ein Kaffeekännchen, ein Brotlaib liegt auch da samt Brotmesser, und im Hintergrund steht ein Nähkorb mit einer „Schtriggede“ drin. Ein sympathischer Einblick in den lichtenhahn’schen Haushalt, vor bald zweihundert Jahren gemalt mit liebevoller Sorgfalt, feinem handwerklichem Geschick, künstlerischer Sensibilität und Kulturbewusstein; im Unterschied  zum kleinen Stilleben aus dem Jahr 1844 fehlt leider die Angabe des Entstehungsjahres.

Beim dritten Bild handelt es sich offensichtlich nicht um ein Werk des Ururgrossvaters, sondern um eine kolorierte hübsche Zeichnung, welche Angehörige der Familie Lichtenhahn in ihrer Wohnung gemütlich am Esstisch sitzend zeigt; datiert ist die Zeichnung mit der Jahreszahl 1837, daneben die Initialen AB.  Spekulationen über den Namen des Zeichners/der Zeichnerin sind Tür und Tor geöffnet. 

Alle drei Bilder verführen jedenfalls zu einer andächtigen und inspirierenden Zeitreise in die Welt der Ahnen aus der Herkunftsfamilie unserer Mamme Elisabeth Lichtenhahn.

 ***

Der Stammvater aller Basler mit Namen Lichtenhahn (oder Liechtenhan oder Lichtenhan) war Ludwig Liechtenhain  (1504-1558), der in der Reformationszeit und kurz nach dem Tod seines Vaters als junger Eisenhändler von Leipzig nach Basel auswanderte, wo er sich offenbar – sowohl als Anhänger des neuen reformierten Glaubens, als auch beruflich – günstige Lebensbedingungen erhoffte. Zu Recht: Schon 1524 wurde er Basler Bürger (im gleichen Jahr heiratete er Elisabeth Pur, eine Tochter des Schultheissen Rudolf Pur von Aarau – dieser Ehe entsprangen vier Kinder; vier weitere entsprossen der zweiten Ehe mit Ursula Heydelin, der Tochter des Oberzunftmeisters Marx Heydelin von Basel), womit die Geschichte einer neuen Stadtbasler Sippe lanciert war, die heute noch im Kreuzgang des Basler Münsters mit einem stattlichen Familiengrab-Denkmal (grosse steinerne Grabplatte) repräsentiert wird. Der dort auf dem Familienwappen dargestellte Hahn kann hinterfragt werden, weil Lichtenhahn ja ursprünglich Liechtenhain hiess.  Diese ursprüngliche Bedeutung wird im Lichtenhahn-Wappen sichtbar, denn es ist auch ein Hain (Bäume) abgebildet. Der Hahn ist ein gern verwendetes Wappentier, als Symbol von  Wachsamkeit, Kampfbereitschaft, Verkündung des Tages. Im Lichtenhahn-Wappen trägt er zwei brennende Fackeln im Schnabel, wird also zum Lichtträger, zum lichten Hahn…

Das h im Namen hat meinen Ururgrossvater, dem ich die in meiner kleinen privaten Bildersammlung hängenden Stilleben verdanke, gestört: Seinen Geschlechtsnamen liess er amtlich bestätigt in „Liechtenhan“ (mit ie, aber ohne h) umwandeln, womit freilich einer seiner Söhne, der Primarlehrer Karl Heinrich Lichtenhahn, nicht einverstanden war, weshalb dieser die Namensänderung für seine Person und seine direkten Familienangehörigen wieder rückgängig machen liess…

Doch einige Jahrzehnte später, in den Neunzehnhundertdreissigerjahren, beantragte ein anderer Nachkomme, Richard Lichtenhahn, nicht nur die Verwandlung seines Familiennamens zu „Lichtenhan“ (ohne ie und ohne h), sondern auch jene seines Vornamens Richard – diesen wünschte er durch „Lucas“ zu ersetzen, wie ein Regierungsratsbeschluss vom Mai 1936 festhielt. Da dies in der Zeit des im Nachbarland bedrohlich herrschenden Hitler-Regimes geschah, vermute ich, dass dem eigensinnigen und feinsinnigen Kunstfreund, der als Kurator der Basler Kunsthalle Lucas Lichtenhan in den Neunzehnhundertvierzigerjahren  öffentliches Ansehen erwarb, der Taufname Richard einfach zu „deutsch“ war, weshalb er ihn mit dem aparten Vornamen „Lucas“ eintauschte.

So ist es gekommen, dass die Basler Nachkommen der im Mittelalter in Jüterbog (Brandenburg) sowie in Leipzig und Jena nachgewiesenen Geschlechts der Liechtenhain (auch Lichtenhayn oder Liechtenhayn) unterschiedlich heissen. Aber ob sie sich nun Lichtenhahn, Liechtenhan oder Lichtenhan nennen – alle diese Basler sind miteinander blutsverwandt, stammen alle von Ludwig Liechtenhain ab.

Die Basler Lichtenhahn sind seit Anfang eine protestantisch geprägte Sippe, in deren Reihen nicht zufällig reformierte Theologen auftauchen, so die Pfarrherren Bonifacius Lichtenhan (1625-1671), Pfarrer von Bretzwil, Reigoldswil und Lauwil; Hans Rudolf Lichtenhan (1731-1805), Pfarrer von Buus und Maisprach; Hans-Heinrich Liechtenhan-Riedtmann 1729-1811), Pfarrer von Kleinhüningen; Johann (Hans) Benedict Lichtenhahn (1847-1903), Pfarrer der Theodorgemeinde in Basel sowie Professor Johann Rudolf Lichtenhahn (1875-1947), Pfarrer der Basler Matthäusgemeinde. Eine besondere Aufgabe übernahm Friedrich Lichtenhahn-Stehelin (1806-1866): nach seiner Tätigkeit als Pfarrer von Rothenfluh wurde er in seiner Heimatstadt „Waisenvater“,  das heisst Leiter des Basler Waisenhauses (Amtsantritt 1859). Und international (wohl-)tätig war August Fritz Lichtenhahn (1871-1947), gewürdigt mit dem Ehrendoktor der theologischen Fakultät der Universität  Wien und Mitbegründer sowie erster Sekretär des schweizerischen Volksbundes.

Der Vater unserer Mutter, Adolf Lichtenhahn (1882-1940), brach mit der protestantischen Familientradition, indem er eine Katholikin aus dem Elsass heiratete: unsere Grossmutter Felicita Gottenkieni, genannt Elise (1879-1961), eine bei uns Enkelkindern sehr beliebte, weil phantasievolle Grossmutter, die ihre katholische Heiligenverehrung nicht verbarg, indem sie uns die Amulette zeigte, die sie unter ihrer Bluse trug, und die uns abenteuerliche Geschichten von grünen Marsmenschen erzählte, die sie als Kind im Elsass habe landen sehen. Und die Tochter, unsere Mutter Elisabeth Lichtenhahn, festigte den Kulturbruch, indem sie einen waschechten, lupenreinen Katholiken aus dem basellandschaftlichen Birseck ehelichte: Georg Feigenwinter, unseren Vater.

Felix Feigenwinter, 14. Dezember 2016.

(Quelle: „Die Chronik derer zu Lichtenhahn“ von René Falconnier, 1979)

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Die Familie Feigenwinter-Lichtenhahn in Liestal

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Der Vater Dr. Georg Feigenwinter, damals Obergerichtsschreiber und später Strafgerichtspräsident, und die Mutter Elisabeth, geborene Lichtenhahn, mit ihren vier Kindern vor dem gelben Einfamilienhaus an der Ergolz in Liestal. 

Das Familienporträt entstand in den Neunzehnhundertvierziger-Jahren, nach dem Ende des zweiten Weltkriegs (während dem der Vater in der Schweizer Armee als Oberleutnant diente). Auf dem Foto hält die Mutter das jüngste Kind, Beat, den späteren Juristen, auf dem Arm. Im Mittelpunkt steht die mit einem Blumen-Haarkranz geschmückte Adelheid, die spätere Schriftstellerin und Malerin, im weissen langen Festkleid des Erstkommunion-Kindes. Daneben links die jüngere Schwester Theres, rechts der Bruder Felix. 

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Hans A. Jenny über die Geschichte des “doppelstab” und dessen langjährigen Mitarbeiter Felix Feigenwinter:

In seinem 85. Lebensjahr, in dem der frühere (und erste) “doppelstab”-Chefredaktor Hans A. Jenny vom Regierungspräsidenten des Kantons Basel-Landschaft, Thomas Weber, am 15. September 2016 in der Kantonsbibliothek in Liestal für “langjähriges Schaffen als Sammler, Kulturvermittler, Autor und Herausgeber” geehrt wurde, verfasste Jenny einen  Text über die Geschichte der Gratiszeitung “doppelstab”, in dem er seinen einstigen Redaktionskollegen Felix Feigenwinter und dessen langjähriges Wirken beim “doppelstab” in den Neunzehnhundertsechziger- und Neunzehnhundertsiebzigerjahren mit folgenden Worten charakterisierte und würdigte:

“Ein besonders wertvoller Mitarbeiter war der stilsichere und in seinen Kolumnen und Glossen Alltags-Situationen brillant schildernde und alle Charaktere perfekt zeichnende Schriftsteller Felix Feigenwinter, der wenige Jahre später auch unser Redaktionskollegium bereicherte. In seiner unverwechselbaren Originalität passte er ausgezeichnet in unser munteres Team.” 

(Eine gekürzte – von BaZ-Redaktor Christian Keller redigierte –  Fassung von Jennys Erinnerungsschrift erschien am 15.9.2016 unter dem Titel “Die Doppelstab-Story” in der “Basler Zeitung”.)

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Der Journalist als Clown und König…

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Die Tätigkeit in der “doppelstab“-Redaktion  beschränkte sich nicht auf journalistische Arbeit. Von Zeit zu Zeit organisierte die Zeitung für die Leser spezielle Veranstaltungen, zum Beispiel im Hochsommer ein “Badehosen-Festival” (mit Wettbewerb “Wer trägt das originellste Badekleid?”), eine Olympiade  für sportliche Jugendliche nebst Kindernachmittage mit Kasperlitheater, Märchenstunde, Auftritten von Tierdompteuren und Zauberern. “doppelstab”-Journalisten verkleideten sich, traten auf als Napoleon, Clown, König, Prinzessin… Bild oben: Der Chefredaktor Hans Jenny in einer historischen (Theater-)Militäruniform aus der Zeit Napoleons (rechts) und “Clown” Felix Feigenwinter geleiten die Teilnehmer eines der legendären “doppelstab”-Kinderfeste durchs Spalentor.

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Oben: Hinter dem Kollegiengebäude der Universität Basel beim Petersplatz verfolgen die Kinder vergnügt den Sprung von Clown Felix Feigenwinter ins Brunnenwasser.

Unten: Anlässlich eines anderen Kinderfestes trat Felix Feigenwinter als “Märchenkönig” auf, mit “Prinzessin” Hannah Mangold am Arm.

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WITZIGE ANTWORT

E-Mail-Kommunikation zwischen zwei Schreibern aus dem selben Geburtsjahr (1939):

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Gesendet: Samstag, 17. Dezember 2016 13:08
An: Prof. Francois Fricker *
Betreff: Dein Text in der heutigen Basler Zeitung

Lieber François,

Welche Überraschung: François Fricker als Analytiker amerikanischer Wahlregeln! Wird da  die Karriere eines neuen  hochkarätigen aussenpolitischen  BaZ-Journalisten lanciert?… Dass ich Deinen offenbar auch mathematisch inspirierten  Gedanken nur beschränkt folgen kann, scheint mir nur logisch; als Gelegenheitsschreiber von Leserbriefen befinde ich mich längst auf dem Rückzug. In diesem Zusammenhang wiederhole ich  meine schon früher formulierte Feststellung:

In der Zeitspanne, während Du Dich verjüngtest, wurde aus mir ein gefühlter Greis.

Mit grosser Bewunderung und einem herzlichen Gruss

Felix Feigenwinter

Lieber Felix,

irgendwie bist Du mir mit Deiner Post zuvorkommen, wollte ich Dir doch schon lange meine Freude über unsere vergangene Zusammenkunft ausdrücken und hoffen, dass sich so etwas gelegentlich wiederholen wird.

Und was Deine schmeichelhafte Bemerkung betrifft, so nehme ich diese mit Vergnügen entgegen. Aber ich gebe mir grosse Mühe, mich nicht weiter zu verjüngen, damit Du Dich nicht noch weiter vergreist fühlst.

In diesem Sinne und mit einem herzlichen Gruss,

François

*Professor François Fricker (Jahrgang 1939) war in jungen Jahren Lehrer am Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasium (MNG) in Basel, später – während 30 Jahren (von 1973 bis 2003) – Professor für Mathematik an der Justus-Liebig-Universität in Giessen. Für Schweizer Zeitungen schrieb er viele kulturhistorische Texte. In seinem Wohnort Basel kennt man ihn auch als Zauberkünstler.

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EIN GEWISSEN GEGEN DIE GEWALT

Auszug aus einem Brief  an einen Bekannten vom 21. April 2015:

Gestern und heute las ich den Essay von Stefan Zweig aus dem Jahr 1936 „Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt“ (Fischer Taschenbuch) – eine bemerkenswerte Darstellung grauenhafter Vorgänge im reformierten Genf und Basel im 16. Jahrhundert, eine kritische Beleuchtung der Rolle des gnadenlosen Reformationsfanatikers Calvin im Zusammenhang mit der Verfolgung und sadistischen Hinrichtung (wegen „Gotteslästerung“) des spanischen Arztes Michael Servet. Gegen die barbarische Hetze und Ermorderung hatte sich der (in Basel lebende und wirkende) französische Humanist Sebastian Castellio mit vernünftigen und menschenfreundlichen Argumenten gewandt,  was Calvins Unmut erregte. So wurde dann der edle, mutige, unbestechliche Castellio (einst Weggefährte Calvins!) selbst Opfer der gewaltträchtigen Intoleranz des Protestantenführers aus Genf. Zusätzlich verhängnisvoll für Castellio war, dass nach dem Tod und ehrenvollen Begräbnis seines verstorbenen Freundes David Joris alias Johann von Brügge (der im „Spiesshof“ am Basler Heuberg und während Jahren im Schloss Binningen wohnte) Joris‘ Diener die geheime Rolle des verstorbenen Herrn als Angehöriger der damals auch in Basel verbotenen Sekte der Wiedertäufer posthum ausplauderte, was zu  ungeheuerlichen Geschehnissen führte. Darüber (nicht im Zusammenhang mit Castellio, der mir damals noch nicht vertraut war, sondern betreffend David Joris) hatte ich als junger Journalist im Jahr 1963 nach mehrstündigem Forschen im baselstädtischen Staatsarchiv einen Artikel geschrieben, der am 14. Oktober 1963 in den guten, alten „Basler Nachrichten“ veröffentlicht wurde. – Meines Erachtens wird das ehrende Andenken an den Humanisten und frühen Aufklärer Castellio in Basel auch heute noch arg vernachlässigt. Im peripheren Stadtteil St. Alban gibt es zwar ein Castellio-Weglein, dessen Verborgenheit  mir aber symptomatisch erscheint für den verkannten Stellenwert des Calvin-Kritikers in der Humanistenstadt Basel.

Felix Feigenwinter (21. April 2015)

„DER BEGRIFF ‚GESCHEITERTE EXISTENZEN‘ GEFÄLLT MIR NICHT“

Aus einem Brief an einen Bekannten vom 2. August 2015

„Du denkst, ich schreibe von ‚gescheiterten Existenzen‘. Der Begriff ‚gescheiterte Existenzen‘ gefällt mir nicht. Meine Intention, mich Aussenseitern, Sonderlingen zuzuwenden, sie (als Journalist in Interviews und Reportagen,  als Schriftsteller in erfundenen Geschichten) als Individuen zu erfassen und zu würdigen, entsprang keinen konventionellen, gesellschaftspolitischen oder nationalökonomischen Bewertungsvorstellungen, sondern gründete in einer philosophischen, sozusagen anthropologischen Betrachtungsweise. ‚Meine‘ Aussenseiter als ‚gescheiterte Existenzen‘ zu bezeichnen, widerstrebt mir. Den Wert eines Individuums suche und sehe ich jenseits opportunistischer Bewertungsklischees. Sonderlinge sind oft hochsensible Menschen, auch Kreative, die manchmal als Künstler von Tüchtigen entdeckt werden, bevor sie den (meist nicht kreativen) Kulturkonsumenten zum Frasse vorgesetzt werden. In der Literatur wimmelt es von Sonderlingen (nicht nur in meinen Geschichten). Als Romanfiguren sind Aussenseiter beliebt.“

Felix Feigenwinter, 2. August 2015    

GEGEN DEN STROM SCHWIMMEN

Aus einem Brief an einen Bekannten vom 4. August 2015:

„Das von Dir erwähnte Ehepaar scheint ein Beispiel von Leuten ohne (eigene) Meinung zu sein:  Zwei Opportunisten treiben im allgemeinen Meinungs-Hauptstrom und vollziehen wendig jede Richtungsänderung der Strömung. Peinlich, wenn sie Meinungseintracht als Paar mit dem Anspruch auf Exklusivität demonstrieren/zelebrieren.

Solches Schwarmverhalten ist meiner Erfahrung nach weitverbreitet: Viele Menschen schwimmen m.E. auf diese Weise ziemlich unbehelligt von hohem Wellengang und reissender Strömung durchs Leben. Sie haben keine Ahnung vom heroischen Schwimmen gegen den Strom, geschweige denn von den geistigen Voraussetzungen zu solchen Anstrengungen.“

Felix Feigenwinter, 4. August 2015

DEM SONNENUNTERGANG ENTGEGEN

Mail an eine alte Bekannte, April 2017:
Liebe Hannah,

herzlichen Dank für Deine freundliche Einladung! Lust hätt‘ ich wohl, doch zurzeit viel zu wenig Zeit für einen entspannten Kaffee-Treff, da wir uns im Umzugs-Stress befinden: Kürzlich wurden wir (mein Eheschatz und ich) aus unserem ohnehin nicht nur geruhsamen Rentnerdasein geschreckt; völlig unerwartet erhielten wir die Kündigung (wegen Abbruchs des Hauses, in dem sich unsere altbewährte Mietwohnung befindet). Seither entrümpeln, ordnen und packen wir Tag und Nacht fast pausenlos unsere umfangreichen Privatarchive, Bibliotheken und sonstigen Sammlungen, die sich bei uns seit Jahrzehnten angehäuft haben; der Umzug in die neue, viel kleinere und engere Wohnung findet voraussichtlich Anfang Mai statt… Also Dauerstress trotz angehendem Greisenalter.

Die Absage schliesst spätere Treffen selbstverständlich nicht aus!

Liebe Grüsse
Felix Feigenwinter

PS. Unsere erste Basler Wohnung hatten wir als junge Kleinfamilie vor bald fünfzig Jahren im unteren Teil der Friedensgasse gefunden. Gute dreizehn Jahre später zügelten wir Richtung Südwesten an den Nonnenweg, wo wir als dreiköpfige  Familie während ebenfalls rund dreizehn Jahren lebten. Nach dem Auszug unseres flügge gewordenen Sohnes zogen wir weiter in südwestliche Richtung, an die Schützenmattstrasse.  Und nun, da wir in der Nähe des Schützenmattparks während fast siebzehn Jahren Wurzeln geschlagen haben, will es das Schicksal, dass wir uns als fossiles Paar noch einmal weiter westwärts (neues Domizil am St. Galler-Ring) orientieren – dem Sonnenuntergang entgegen…

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GEDANKEN ZUM LEBEN, GLAUBEN und STERBEN

(Tagebuch-Eintragungen im Februar 2017)

Väterlichem Erziehungsprogramm verdanke ich frühe katholische Sozialisierung, auch den Zugang zur katholischen Mystik, der reformierten Herkunft meiner Mutter protestantisches Kulturverständnis, auch den Sinn für individuellen Widerstandgeist, für nonkonformistischen Eigensinn, trotz bürgerlich-konventionellem Hintergrund.

Religionen betrachte ich wohlwollend, wenn sie friedlich und menschenfreundlich seelsorgerische und soziale Hilfe, Trost und Hoffnung anbieten. Skeptisch beurteile ich ich totalitäre, repressive, gar gewaltträchtige theologische Ideologien – besonders, wenn diese machtpolitisch allgemeingültig „verwirklicht“ werden sollen. (Religiöse Werte als staatliche Richtlinien festzulegen, halte ich grundsätzlich für problematisch: freiheitliche, auch von der Aufklärung geprägte Demokratien könnten leicht in autoritäre „Gottesstaaten“ verwandelt werden.)

Religiöser Glaube, Spiritualität als Ausdruck und Erfüllung der Sehnsucht nach kosmischer Verbindung, nach „Ewigkeit“, ist für mich eine private  Angelegenheit. Meditation, introvertierte Versenkung, entzieht sich gesellschaftlicher Kontrolle.

Auch das Sterben ist ein persönliches, eigentlich einsames Erlebnis; ein natürliches Ereignis  – allerdings nicht unabhängig vom sozialen zivilisatorischen Netz, welches das Leben gefangen hielt.

Felix Feigenwinter, im Februar 2017

UMZUGSSTRESS, SCHMERZATTACKE, OP, THERAPIEN

Brief an den Hausarzt, 11. April 2017:

Sehr geehrter, lieber Herr Doktor,

ein Unglück kommt selten allein: nur wenige Tage nach meinem letzten Besuch in Ihrer Praxis, als ich eine ungünstige Diagnose und die Überweisung an den Urologen Dr. F. zur Kenntnis nehmen musste, schreckte uns die nächste unfrohe Botschaft aus unserem ohnehin nicht nur geruhsamen Rentnerdasein: wir (mein Eheschatz und ich) erhielten die Kündigung unserer altbewährten Mietwohnung wegen des Abbruchs der Liegenschaft! Seither entrümpeln, ordnen und packen wir Tag und Nacht fast pausenlos unsere umfangreichen Privatarchive, Bibliotheken und anderen Sammlungen, die sich bei uns seit Jahrzehnten angehäuft haben; der Umzug in die neue, viel kleinere und engere Wohnung (in unserem angehenden Greisenalter können wir nicht wählerisch sein…) findet voraussichtlich anfangs Mai statt, der definitive Umzugstermin steht noch nicht fest. Also nicht gerade die ideale Voraussetzung für notwendige medizinische Untersuchungen, Therapien etc. … Diese Problematik sei hier nicht detailliert vertieft (die Termine bei Dr. F. haben sich notgedrungen verzögert, aber die erste Untersuchung habe ich hinter mir, eine zweite – Prostata-Biopsie – ist trotz Umzugsstresse am 5. Mai vorgesehen), sondern ich möchte Ihnen jetzt einfach die Adressänderung, offiziell ab 1. Mai, bekanntgeben. Mit freundlichen Grüssen Felix Feigenwinter.

Auszug aus einem Brief an den Hausarzt, 13. Juli 2017:

Sehr geehrter Herr Doktor,

(…) Auf Anraten meiner Frau begab ich mich nach schlafloser Nacht wegen höllischer Schmerzen am Dienstagmorgen, 4.7.17, als Notfall in die Walk-in-Abteilung der Schmerzklinik Basel, wo mir Dr. S. nach einer Untersuchung das Schmerzmittel Cellecoxib-Mepha (100 mg) verschrieb (Einnahme dreimal täglich vor dem Essen). Eine zweite ambulante Konsultation fand tags darauf (Mittwoch, 5.7.) statt. Dr. S. empfahl mir nun, die Schmerztabletten nur noch „nach Bedarf“ einzunehmen. Die letzte Schmerzpille schluckte ich Sonntagmorgen, 9. Juli. Inzwischen bin ich fast schmerzfrei. Am Dienstag, 11.7.17, teilte ich Dr. S. während meines dritten (und vorläufig letzten) Besuchs in der Schmerzklinik mit, dass ich die Behandlung jetzt abschliessen und auf eine weitere ambulante oder gar – wie von Dr. S. vorgeschlagen  – stationäre Therapie in der Schmerzklinik verzichten möchte, um mich – auch mental – besser auf die am 2. August 2017 in der Merian Iselin-Klinik bevorstehende Operation vorbereiten und z.B. die vorher von mir zu erledigenden z.T. administrativen Arbeiten/Aufgaben verrichten zu können. (…) –  Nun möchte ich Sie aber nicht länger hinhalten und verbleibe mit freundlichen Grüssen Felix Feigenwinter.

Tagebuch-Eintrag vom 10. August 2017:

Nach dieser Operation mit Vollnarkose fühle ich mich um weitere zehn Jahre gealtert, nachdem mich der Umzugsstress schon gefühlte zehn Jahre älter gemacht hatte. Also würde ich im Dezember dieses Jahres bereits achtundneunzig Jahre alt, statt achtundsiebzig!…

E-mail an Eva Maria, 11. August 2017:

Liebe Eva-Maria,

umständehalber etwas verspätet, aber umso herzlicher danke ich Dir für Deine Anteilnahme und freundliche mystische Hilfe! Die Kerzenzeremonie hat gewirkt: Trotz den schwierigen Voraussetzungen (koronare Herzerkrankung, hoher Blutdruck, Diabetes) habe ich die OP in der Merian Iselin-Klinik, durchgeführt am 2. August,  zwar mit Komplikationen  (Zusammenbrüche zwei Tage nach der OP mit zwei Ohnmachtsanfällen und heftigem Schüttelfrost), aber lebend überstanden. Dein gläubiger Einsatz erinnert mich an meine katholische Kindheit, als meine damals in einem Frauenkloster am Zürichsee lebende Tante Maria, eine Schwester meines Vaters, für ihre Familienangehörigen und besonders für uns Kinder betete. Ich bin berührt, gerührt und fühle mich beschenkt.

Nun versuche ich, mich zuhause – befreit von Schläuchen und Katheter – als Rekonvaleszent für die später vorgesehenen Therapien fit zu machen.

Mit schönen Grüssen aus Basel und den besten Wünschen für Dein eigenes Wohlergehen
Felix Feigenwinter

PS. Die Natur tobt, und wir tun so, als könnten wir sie zähmen. Oder, wie es Jean Cocteau formulierte: „Wenn uns die Ereignisse schon über den Kopf wachsen, tun wir wenigstens so, als ob wir sie selber geplant hätten.“

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„Räbeli“ zu Beginn unserer Bekanntschaft: Ein Jungvogel mit flauschigem und struppigem, bräunlich-grauem Gefieder und einzelnen weissen Federn. Sein offenbar (vom Kampf mit einer Katze?) verletzter rechter Flügel hing leicht schräg herunter, erwies sich aber dennoch als flugtüchtig. „Räbeli“ fütterten wir täglich mindestens dreimal,  versorgten es mit Badewasser, streichelten es und redeten mit ihm, und es erwiderte unser Wohlwollen  mit einer kindlich-vertrauensvollen Anhänglichkeit, erheiterte uns auch mit allerlei  Schabernack. Innert weniger Wochen gedieh es dann zur stattlichen Rabenkrähe mit tiefschwarz glänzendem, glattem Federkleid.

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ERLEBNISSE MIT EINER RABENKRÄHE

Eine seltsame, märchenhaft anmutende Begegnung  erlebte ich als Krönung im soeben zu Ende gegangenen, für uns an Überraschungen und Veränderungen so  ereignisschweren Jahr 2017:  Den Besuch einer Rabenkrähe  im August auf dem Balkon unserer im Mai neu bezogenen Wohnung am St. Galler-Ring, wenige Tage nach meiner Rückkehr aus dem Spital, wo ich mich einer Operation unterzog (ein Eingriff unter Vollnarkose, zusammenhängend mit zermürbenden Untersuchungen und endlos scheinenden Therapien, was für mich die zweite schwere Strapaze in diesem meinem 78. Lebensjahr war – nach dem Umzugsstress im Frühjahr infolge der Kündigung unserer bisherigen Mietwohnung an der Schützenmattstrasse wegen Hausabbruchs). Zu „Räbeli“ – so nannten wir unseren aussergewöhnlichen geflügelten Gast – entwickelten Gunild und ich im Verlauf der folgenden Tage, Wochen und (fast drei) Monaten eine intensive freundschaftliche Beziehung, die Gunild in einem Brief an eine Freundin schilderte.

Aus Gunilds Brief an eine Freundin:

„Du kennst ja mein Räbeli schon vom Video – es kam am 15.August erstmals an auf der Terrasse, laut krächzend und mit den Flügeln schlagend, als würde es verfolgt. Offenbar hatte es eine Begegnung mit einer Katze gehabt, wie ein Nachbar später erzählte. Daher die Panik. Und da es bei uns in Sicherheit war, wurde es bald anhänglich, machte die Fütterbewegungen wie ein Nestvogel, schlug mit den Flügeln, sobald es mich sah, flog auch bald auf meine Schulter und blieb dort gern länger, hielt während einer halben Stunde Mittagsschläfchen und war sehr verschmust, d.h. es knabberte am Ohräppchen, zog ganz zart meine Haare durch den Schnabel und liess sich gern unter dem Schnabel kraulen; wenn ich aufhörte, machte es leise grru wie eine Taube, oder tippte mich an, das hiess: weitermachen. Es liess sich auch auf dem Kopf und über die Flügel streicheln, hatte volles Vertrauen. An den Füssen war es weniger sanft, hackte gern auf die Schuhe und zog an den Schuhriemen. Wenn Fremde da waren, hackte es sie auch in die Finger.

Felix flog es nicht auf die Schulter, er war etwas strenger als ich, liess es nicht in die Küche, aber es wartete meistens auf ihn an der Bushaltestelle um die Ecke, und bekam dann Erdnüsse von ihm, konnte ihn auch von allen anderen an der Haltestelle unterscheiden, band ihm einmal schnell die Schuhbändel auf, bevor der Bus kam,  oder lief über den Fussgängerstreifen hinter ihm her, nachdem er auf dem Heimweg aus dem Bus gestiegen war. Es hatte auch bald herausgefunden, wo wir zum Haus rauskamen, sass oft auf den Briefkästen vor der Haustür und kam auf die Schulter geflattert, ging auch mit mir einkaufen im Lädelchen gegenüber, der Lädelimann brachte mir die Sachen raus, es durfte ja nicht in den Laden; es zog Scheine aus meinem Portemonnaie und machte sich auf dem Boden vor dem Laden zu schaffen, bis ich fertig war, dann flog es wieder auf und wir gingen nach Hause. Einmal zog es, als wir in die Wohnung kamen, auf meiner Schulter sitzend blitzschnell den Briefkastenschlüssel vom Schlüsselbrett im Flur; zum Glück liess es ihn dann  fallen auf dem Weg  durch die Küche auf die Terrasse… Auf der Terrasse hatte es auch seine Badeschüssel, die es oft und ausgiebig benützte, oft fünfmal hintereinander, um sich anschliessend blitzschnell schüttelnd zu trocknen und mit dem Schnabel die Federn einzufetten.

In den Bus durfte es natürlich nicht, ich musste es scheuchen, bevor ich einstieg. Einmal überlistete es mich und flog in letzter Sekunde auf, als ich schon drin war im Bus, – ich schnell wieder raus, Felix auch, und wir gingen mit unserem Vogelkind zum Gartencafé in der Nähe. Es hüpfte auf den Tisch und wollte aus der Kaffeetasse trinken, na klar, im Café tinkt man Kaffee, Felix legte eine Untertasse darüber, die es aber mit dem Schnabel wegnahm. Es war sehr drollig. Dann zog es den Einzahlschein aus meiner Tasche, mit dem wir zur Post wollten, und drehte mit dem flatternden Schein im Schnabel ein paar Runden über unseren Köpfen, zum Gaudi der Gäste, liess den Schein aber zum Glück wieder fallen; zufällig war es nicht der 200-Franken-Schein, der sich im gleichen Taschenfach befand…  Ebenso klaute es einmal die Return-Taste von meinem Laptop, die es mal plötzlich im Schnabel hatte. Auch auf meine Gedächtnispillen in der Küche war es ganz scharf. Zog auch gern Messer, Gabeln, Löffel  aus dem Besteckbehälter und legte sie einzeln schön ordentlich  daneben.

Eines Tages war Felix‘ Goldring aus dem Schlafzimmer verschwunden. Räbeli hatte einen unbewachten Moment erwischt, als die Zimmertür zur Terrasse offen stand; der Ring war auf dem Tisch gelegen, Räbeli hatte ihn zielsicher erblickt und nach draussen verschleppt. Wir wussten, wie das zuging: wenn es etwas im Schnabel hatte, das nicht zum Fressen war, versteckte es das meistens in den Blumenkästen (Käsestücke, Feigen, Tomatenscheiben und Apfelschnitze versteckte es gern in meinem Kragen). Aber den Ring hatte es mit Sicherheit rausgetragen, der war nirgends mehr. Es war Felix‘ «Kraftring» – er vermisste ihn sehr. Rabenkrähen sind wie die Elstern.

Manchmal tauchten auch Elstern und ein Eichelhäher im Garten auf, reagierten aber nicht auf Räbeli, das immer allein war und auf uns wartete, am liebsten auf einem Baum über der Kreuzung, von wo es angeflogen kam, sobald wir auftauchten, oder auf einem Hausdach. Es konnte uns von weitem erkennen. Die Raben sind die intelligentesten Vögel, sie können Menschengesichter aus der Ferne unterscheiden. Also es war ein wahrer Wundervogel, wie aus einem Märchen. Aber das Märchen nahm ein Ende:

Am 7. November, es war ein nasskalter, nebelgrauer,  trüber Tag, hat mein liebes Räbeli  uns verlassen, d.h. es kam nicht wieder. Verunglückt? Katze? Auto?  Mensch? Nicht alle Leute waren entzückt, wenn sie «die Frau mit dem Raben» sahen, manche guckten echt feindselig. Es gibt Menschen, die Raben nicht leiden können. Und es gibt Raben, die andere Raben aus dem Revier vertreiben.

Wir wissen es nicht. Es streichen hier auch viele Katzen herum, und Räbeli war völlig zahm. Auch Felix vermisst es an der Bushaltestelle, wo es immer Erdnüsse von ihm bekam. Dort hatte Räbeli einmal vor den Augen der auf den Bus Wartenden eine Nuss mit einem Blatt bedeckt und geprüft, ob sie genug versteckt sei; dann drehte es das Blatt mit dem Schnabel um, vor aller Augen, in der Meinung, man sähe nichts…

Nach Räbelis Verschwinden trafen wir viele neue Nachbarn, die es auch gekannt hatten, und die wir ohne es nicht kennengelernt hätten. Und stell Dir vor, eine Woche nach Räbelis Verschwinden brachte eine Bewohnerin aus unserem Haus Felix den Goldring, nachdem sie diesen in ihrem Blumenkasten gefunden hatte, wo Räbeli ihn versteckte!

Räbeli  war unser Glücksrabe. Ich musste 77 werden, um so ein Räbeli, diese Rabenkrähe, kennenzulernen und bin sehr traurig. Sehe es immer noch vor mir, wie es auf meiner Schulter einmal den Hals stark verdrehte und von unten herauf mein Gesicht studierte, als wolle es herausfinden, wo denn mein Schnabel sei.“

Soweit Gunilds Bericht von unseren Erlebnissen mit Räbeli, dem geflügelten Schnabelwesen, einem Boten aus einer anderen Welt, vorübergehend bei uns zu Gast, was uns daran erinnerte, dass auch wir Naturwesen sind, sterblich und für kurze Zeit hier zuhause. – Ob Räbeli an jenem nebelverhangenen Novembertag tatsächlich tödlich verunglückt ist, wage ich freilich zu bezweifeln. Lieber glaube ich, dass es in einem Entwicklungsschub vom auf Menschen fokussierten Einzelgänger zum Schwarmwesen mutiert ist und sich seinen Artgenossen angeschlossen hat.

Felix Feigenwinter, im Januar 2018

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Délai de grâce

Beglückende Überraschung anfangs März dank einer Postsendung aus Frankreich: Die Übersetzerin Catherine Fagnot aus Nancy schickt mir das soeben von der belgischen Edition Vies Parallèles, Brüssel, herausgegebene Buch „Délai de grâce“ mit von Frau Fagnot in die französische Sprache übersetzten Texten meiner Schwester Adelheid Duvanel, eine Geschichtensammlung, die 1991 unter dem Titel „Gnadenfrist“ bei Luchterhand, Frankfurt am Main, in der deutschen Originalfassung erschienen ist und nun, 27 Jahre später,  im französischen Sprachraum veröffentlicht wird. Grund zur Freude und Dankbarkeit!

Liebe Frau Fagnot,

welch‘ schönes Erlebnis, als ich in meinem Postfach das Paket aus Nancy vorfand und Ihren freundlichen Brief und das neue Buch mit Adelheid Duvanels „Gnadenfrist“-Texten in französischer Sprache in Händen halten durfte! Für mich überraschend, wie schnell dieses Projekt nun verwirklicht werden konnte. Glücklicherweise konnten die Fragen betreffend das Copyright offenbar geklärt werden, was mich natürlich ebenfalls freut.

Für die Zusendung dieser wunderbaren Gabe danke ich Ihnen sehr, ebenso für Ihre nach meiner Einschätzung äusserst kompetente, einfühlsame Übersetzung der einundvierzig Kurzgeschichten meiner Schwester. Auch Cover und Format gefallen mir, die gesamte grafische Gestaltung ist exzellent. Ein gediegenes Buch, ein Gesamtkunstwerk!

Meine Freude über Ihr Geschenk überstrahlt momentan meine Bedrängnis wegen meiner gesundheitlichen Schwierigkeiten (Operation, zermürbende Untersuchungen, endlos scheinende Therapien); auch dafür bin ich Ihnen dankbar.

Mit einem herzlichen Gruss aus Basel

Felix Feigenwinter, 5. März 2018

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E-mail vom 7.3.18:

Räbeli, durcheinandergebrachter Alltag wegen Krankheit

Liebe Frau Fagnot,

unsere beiden mails vom 5. März haben sich gekreuzt. Als ich Ihnen meine Mitternachtsnachricht (eine Minute vor zwölf – vielleicht unbewusst symbolisch) durchgab, habe ich Ihr Schreiben von 19 Uhr noch nicht gesehen. Daher möchte ich Ihnen heute auch noch darauf antworten.

Wie schön, dass Sie unsere „Räbeli“-Geschichte im Internet entdeckt und gelesen haben! Als unsere Rabenkrähe zum erstenmal auf unserem Balkon erschien, offensichtlich verängstigt und hungrig, war sie noch jung, wahrscheinlich noch nicht lange dem Nest entflattert. Da wir sie nicht scheuchten, sondern fütterten und pflegten, vertraute sie uns schnell. Ob auch ältere, bereits wild lebende Krähen sich leicht „dressieren“ und sozusagen als Familienmitglied integrieren lassen,  weiss ich nicht – mit Katze und Hund in der Wohnung dürfte dies wahrscheinlich, wie ja auch Sie vermuten, eher schwierig sein. Unser „Räbeli“ fürchtete Katzen, wohl aus schlechter Erfahrung (wenn es eine im Garten sah, flog es schnell aufs Balkongeländer und alarmierte uns).

Die Gründe meiner späten Reaktion auf Ihre Buchsendung: Vor einigen Wochen ist auch meine Frau erkrankt, hat mich bezüglich Krankheitspflege-Aufwand  sozusagen „überholt“. Ihrem Zusammenbruch folgten die Spitaleinweisung als Notfall und tagelanger Klinikaufenthalt. Die anfängliche Befürchtung (Parkinson-Krankheit) hat sich zum Glück nicht bestätigt; statt dessen Diagnose einer Schilddrüsen-Überfunktion (Morbus Basedow). Dank medikamentöser Behandlung  hat sich ihr Zustand inzwischen gebessert. Kombiniert mit meiner Krankheit (die schulmedizinisch verordnete Strahlentherapie habe ich bisher abgelehnt; ich lasse mir statt dessen, neben der anthroposophischen Misteltherapie, eine Hormonbehandlung angedeihen trotz nicht harmloser Risiken und Nebenwirkungen) ergab das eine Doppelbelastung, die unseren Alltag erheblich durcheinanderbrachte.  So hat sich eben auch die Leerung meines Postfachs immer wieder  verzögert, ebenso die Beantwortung eingegangener Post.

Nun wünsche ich Ihnen alles Gute und verbleibe
mit herzlichen Grüssen
Ihr Felix Feigenwinter

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Frühlingserwachen

Am 18. April 2018 Antwort an einen Bekannten, nachdem dieser per e-mail meinen in der „Basler Zeitung“ veröffentlichten Leserbrief gelobt hatte: „Deine freundliche Aufmerksamkeit und Anteilnahme freut mich, vielen Dank! Krankheiten, Altersmüdigkeit, Folgen der Umzugsstrapazen im letzten Jahr, auch ungemütliche Nebenwirkungen von ärztlich verordneten Therapien veranlassten mich zum Rückzug und z.B. auch eine meiner Lieblingsbeschäftigungen in den vergangenen Jahren, das Schreiben von Leserbriefen, aufzugeben. Bis ich letztes Wochenende dank BaZ-Lektüre und wohl auch beflügelt durch allgemeines Frühlingserwachen doch wieder in die Schreibtasten griff. (…)“

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Qual der Wahl

Auszug aus einem Brief an eine Bekannte, Juli 2018:

Seit vielen Jahren befolge ich mehr oder weniger konsequent die Diät-Vorschriften für Diabetiker. Neuerdings versuche ich, diese mit der Krebskranken empfohlenen  Diät zu kombinieren.  Das ist nicht immer einfach, weil gewisse, Diabetikern empfohlene Speisen Krebskranke scheint’s meiden sollten (und umgekehrt). Wenn ich jetzt auch noch die mir von Dir zugestellte „Lektin-Liste“ beachte, wird’s noch komplizierter. Der Qual der Wahl versuche ich mich zu entziehen, indem ich mich an die humorvolle Empfehlung einer Diät-Beraterin erinnere: „Wenn Sie beim Essen sündigen, dann tun Sie es nur mit gutem Gewissen, denn das ist gesünder!“  F.F.

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BARBARA FREY ERINNERT AN ADELHEID DUVANEL

Ergreifende Kunde aus Zürich: Im Zentrum Karl der Grosse erinnert die Germanistin und Theaterregisseurin Barbara Frey in einer tiefgründigen Winterrede an ein öffentlich schon fast vergessenes besonderes Stück Schweizer Literatur aus dem letzten Jahrhundert: an die Poesie meiner Schwester Adelheid Duvanel-Feigenwinter. Die langjährige Intendantin am Schauspielhaus Zürich lässt, verwoben mit eigenwilligen und einleuchtenden Assoziationen, Texte meiner 1996 verstorbenen Schwester aufleben. Aus Barbara Freys Rede zitiere ich: „Auf eine Weise ist Duvanel auch eine Geisterseherin. Aber keine esoterische oder vernebelte, sondern eine seltsam nüchterne, lakonische, die sich nicht wundert über die unverrückbare Nähe von Wachzustand und Tiefschlaf, von Vernunft und reiner Phantasie, von Alltagsmensch und Traumgestalt.“

Erinnerungschwere Worte im Januar 2019.

Felix Feigenwinter

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Ausstellungskatalog “Wände, dünn wie Haut” des Museums im Lagerhaus, St. Gallen, mit Bildern und Texten der Malerin und Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter und einer umfassenden und fundierten Analyse von Kuratorin Dr. Monika Jagfeld (Sonderausstellung 2009):

https://unterricht.phwa.ch/wp-content/uploads/2017/07/Duvanel-Bilder-und-Texte.pdf

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„KEINE ÜBERSCHWÄNGLICHEN ZUKUNFTSERWARTUNGEN“

Auszug aus einem Brief , 18. Februar 2019:

„Da ich seit dem 14. Dezember 2018 (das war mein neunundsiebzigster Geburtstag)  bereits mein achtzigstes Lebensjahr durchwandere (trotz chronischen Krankheiten übrigens immer noch ohne Gehstock und ohne Rollator), hege ich keine überschwänglichen Zukunftserwartungen. Mit anderen Worten: Ich weiss natürlich, dass ich als Person bald verschwinden soll – will sagen sterben muss.“ F.F.

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„EINER ANONYMEN GESELLSCHAFT ENTGEGENWIRKEN“

Auszug aus einem Brief, 5. Juli 2019:

„Originelle, auch skurrile und bizarre Hobbies entzücken mich, weil sie das Bedürfnis eigenwilliger Individualisten widerspiegeln und einer anonymen Gesellschaft mit gleichgeschalteten, austauschbaren Menschen und Moden entgegenwirken.“ F.F.

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Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 16. Oktober 2019 in der “Basler Zeitung”,  betreffend “Pfarrerin reicht Strafanzeige ein” in der BaZ vom 12.10.19:
 

Seit wann sind Menschenrechte “rechtsextrem”?

Nicht die Meinungsäusserungern von Pfarrerin Christine Dietrich sind extrem, sondern deren Bespitzelung zwecks Denunziation als angeblich “Rechtsradikale” ist es. Frau Dietrich hat sich in ihrer Islamkritik für Menschenrechte eingesetzt – seit wann ist das Engagement für Frauenrechte, Meinungsfreiheit, Aufklärung über Christenverfolgung etc. “rechtsextrem”?
 
Da man einer inquisitorischen Kampagne mit demokratischen Argumenten nicht beikommt und Gegendarstellungen die Urheber nicht zur Besinnung bringen, bleibt zu hoffen, dass ein Gericht die Angriffe auf die Person und Ehre von Frau Dietrich zurückweist und die Angreifer in die Schranken weist.
 
 
Felix Feigenwinter, Basel

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Leserbrief von Felix Feigenwinter, erschienen am 17. Januar 2020 in der „Basler Zeitung“, betreffend „Die christliche Kernbotschaft wird ausgeblendet“ in der BaZ vom 7.1.2020:

Entschuldigung bei wem bitte?

Gut, dass auch Nationalrat Christoph Eymann, ein etablierter Politiker, zur Hetzkampagne gegen  Christine Dietrich kritische  Worte findet, wobei die ganze Perfidie des Kesseltreibens noch darüber hinaus geht. Rätselhaft bleibt nämlich, warum (wofür und bei wem?!) die gemobbte Pfarrerin sich entschuldigen sollte. Gewiss, die Hexe hat widerrufen –  nachdem man ihr die Folterinstrumente zeigte. Offenbar reichte das den Inquisitoren aber nicht.

Felix Feigenwinter, Basel

 

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„…das Knistern und Rascheln von Zeitungspapier“

Auszug aus einem Brief an Odette N., Januar 2020:

„…ich durchlese täglich in einem Basler Café mindestens drei Tageszeitungen (BaZ, bz, NZZ), wobei neben dem Espresso-Schlürfen das Knistern und Rascheln des Zeitungspapiers zum unentbehrlichen sinnlichen Genuss gehört. Vergnügen eines Fossils, ich weiss…“

Felix Feigenwinter über seine déformation professionelle.

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Corona

Der Verteidigungskrieg gegen die Corona-Viren raubt mir eine meiner täglichen Lieblingsbeschäftigungen. Die notstandsverordnete Schliessung aller Restaurants und Cafés verhindert mein seit Jahren – nein, Jahrzehnten! – behagliches Ritual des täglichen Lesens mehrerer Zeitungen in einem Café.

Die Wissensgewinnung mittels Zeitungslesen habe ich nun, an regenfreien Tagen, in eine  Parkanlage verlegt, wo ich nebenbei frische Luft einatmen und die Liebkosungen der Frühlingssonne geniessen kann. Den Lesestoff, den ich bis vor kurzem noch im Café am Zeitungsständer gratis bezog,  erwerbe ich neu am (glücklicherweise noch offenen) Kiosk; die Kioskfrau trägt Plastikhandschuhe. Dann spaziere ich, im befohlenen Schutzabstand zu anderen Flaneuren und Flaneusen, durch den Park zu einer leeren Sitzbank, auf der ich mich niederlasse, um mich lesend zu informieren und zu inspirieren. Das holde (bei wechselndem Empfinden manchmal auch schauerliche) Krächzen der in den Baumkronen nistenden Raben berieselt mein musikalisches Gehör. Von Zeit zu Zeit versuche ich meine Hände mit mitgebrachtem Desinfektionsalkohol zu reinigen, scheint’s wirksam im Kampf gegen die mit blossem Auge nicht erkennbaren schädlichen Corona-Viren – unter den ungemütlich verrückten Umständen wohl nützlicher als Espressotrinken… 

Meine einfühlsame Schwester Theres empfahl mir am Telefon, auf das mir während des Zeitungslesens so geschätzte Kaffeetrinken nicht zu verzichten, sondern das Getränk zuhause zuzubereiten und in einer Thermosflasche in den Park mitzunehmen. Auch meine liebe Gattin, eifrige Benützerin des Internets, versteht meine altmodische Marotte.

Als über achtzigjähriger chronisch Kranker gehöre ich zur sogenannten Risikogruppe, also zu jenen Individuen, die ihre Wohnung nur zwecks notwendiger Besorgungen (Lebensmittelbeschaffung, Arztbesuch, Gang zur Apotheke) verlassen sollten. Seien Sie solidarisch, BLEIBEN SIE ZUHAUSE. Das Zeitungslesen in anregender Umgebung halte ich für lebensnotwendig – ein Relikt aus meiner früheren Zeit als Journalist, ein subjektives Bedürfnis, heute wohl ein privater Luxus… Wie mache ich das einer Ordnungskraft schmackhaft, die mich vielleicht kontrollieren will?

Mein aufmerksamer, besorgter, vernünftiger Sohn, der in einer anderen Stadt wohnt und arbeitet, mahnte mich – am Telefon – eindringlich, unsere Wohnung nicht einmal zwecks Einkaufens von Lebensmitteln zu verlassen, sondern Hilfsangebote anzunehmen. An solchen fehlt es nicht. Unsere Schwiegertochter übermittelte uns per e-mail die Adresse eines entsprechenden Hilfsdienstes.  Und zwei im Haus lebende Nachbarn boten spontan und uneigennützig ihre Hilfe an. Die Solidarität lebt.

Meine in der internetfreien Vergangenheit des letzten Jahrhunderts entwickelte, ins neue Jahrtausend will sagen digitale Zeitalter hinübergerettete Gewohnheit des Lesens von Zeitungen (aus Papier!) mag die Coronakrise vielleicht nicht überleben. Gemäss einer wissenenschaftlichen Studie überleben die tödlichen Viren auf Zeitungspapier bis zu vier Tagen. Das Zeitungenlesen ist scheint’s gefährlich geworden. Und die angedrohte Verschärfung  der Ausgehregeln könnte meinem altmodischen Verhalten endgültig den Garaus machen: Totales Ausgehverbot für Risikopersonen! Für wieviele Wochen, Monate wohl? Bis zum Lebensende?  Ein solcher Hausarrest machte die ausschliessliche Benützung des Computers zur Informationsbeschaffung unausweichlich. Das beim Lesen so heimelig raschelnde und knisternde Zeitungspapier hätte ausgedient.

Felix Feigenwinter im März 2020

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STURZ, CORONA-TEST, GEHSTOCK

Corona-Tests seien freiwillig, auch für Angehörige der sogenannten Risikogruppe.  So konnte man seit Ausbruch der unheimlichen Pandemie immer wieder lesen und hören.

Am 25. Juni 2020 überreicht mir aber eine Spitalärztin in der Universitätsklinik Basel (Notfallstation, Beobachtungszone) einen Briefumschlag, der ein persönliches ultimatives Aufgebot enthält – ich lese:

Obligatorischer Corona-Abstrich vor Nasenbeinreposition am 3.7.20 in der HNO-Poliklinik.“

Von Freiwilligkeit keine Rede mehr…

Doch das Resultat des Corona-Tests (zwei Abstriche tief durchs linke Nasenloch und in meinem Rachen) ist negativ – kurzfristige Erleichterung, ich bin also (noch?) nicht infiziert…

Wie ich in die Klinik kam?!

Am Mittwoch, 24. Juni 2020, nachmittags, war ich auf dem Centralbahnplatz auf dem Weg zur Tramhaltestelle über einen dort nur ein wenig angehobenen Randstein gestolpert. Mit ungebremster Wucht flog ich Kopf voran auf den Asphalt. Dies war mein sechster Sturz innert sechs Jahren, der bisher gravierendste: heftig blutende Nase (Nasenbeinbruch!), zugeschwollenes rechtes Auge, grotesk aufgedunsenes, vielfarbig schimmerndes Gesicht, blutige Stirn. In einem Sanitätsrettungswagen werde ich als Notfall in die Uni-Klinik transportiert. Dort Röntgen des Gehirns, Diagnose: Zwei Gehirnblutungen. Deshalb während 24 Stunden betreuter Aufenthalt in der Beobachtungszone der Notfallstation.

Ja, nun ist es soweit: Hatte ich nach meinem vorletzten Unfall, vor meinem letzten Sturz, noch jede Gehhilfe als Zumutung abgelehnt, als Angriff auf meine (eingebildete) Souveränität, so wertschätze, ja liebe ich inzwischen meinen freundlichen, honiggelben, leichten Bambus-Gehstock (ein Erbstück), mit dem ich neuerdings unterwegs bin; er ist draussen mein unentbehrlicher Begleiter geworden.

Ohne ihn fühle ich mich unbehaglich, er verleiht mir Sicherheit und Würde. Beim Gang durch die Stadt erblicke ich auf Glasflächen von Schaufenstern mein Spiegelbild: einen Greis mit Zepter. Wunderliches neues Daseinsempfinden.

Felix Feigenwinter, Juli 2020

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Wiedererweckung des literarischen Werks von Adelheid Duvanel  im Limmat Verlag

Ein Lichtblick in der verrückten, traurigen und schaurigen Zeit der Corona-Pandemie:

Der Limmat Verlag Zürich gedenkt meiner Schwester Adelheid mit der Wiedererweckung ihres literarischen Werks. Bereits am 28. August 2020 schrieb mir Erwin Künzli vom Limmat Verlag:

„…tatsächlich haben wir jetzt den Plan gefasst, alle gesammelten Erzählungen Ihrer Schwester herauszugeben zum 25. Todestag im nächsten Jahr. Auch sollen ein Symposium stattfinden und Führungen an ihre Orte und so weiter.“

Fern von hier“ heisst das voraussichtlich über 500 Seiten starke Buch, dessen Umschlag in der jetzt veröffentlichten Vorschau des Verlags mit einem beeindruckenden Jugendbild meiner verstorbenen Schwester präsentiert wird. Adelheid war noch unverheiratet, hiess also noch nicht Duvanel, sondern Adelheid Feigenwinter, und  sie wurde – um 1959/1960 –  im Jugend- und Musikcafé Atlantis in Basel fotografiert, wo Adelheid als stille Einzelgängerin oft zu sehen war. Ihre ersten Kurzgeschichten erschienen damals unter dem Pseudonym Judith Januar in den „Basler Nachrichten“.

Felix Feigenwinter, im Dezember 2020

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Dichtermuseum Liestal und Adelheid Duvanel

In der basellandschaftlichen Kantonshauptstadt Liestal hat sich im vergangenen Jahr der einheimische Ruheständler Albert Wirth, früher u.a. Redaktor der Ciba-Geigy-Zeitung in Basel, mit verschiedenen Vorstössen für die Pflege des öffentlichen Andenkens der hier gross gewordenen Schriftstellerin Adelheid Duvanel-Feigenwinter eingesetzt. Mit einer Rede im Bürgerrat plädierte Albert Wirth dafür, zur Erinnerung an die 1996 verstorbene Autorin einen Weg, eine Strasse oder einen Platz in Liestal nach ihr zu benennen, und mit fundierten schriftlichen Eingaben an Einwohnerräte seiner Partei (CVP) versuchte er, diese zu veranlassen, sich für eine angemessene Berücksichtigung von Adelheid Duvanel, meiner Schwester,  in der Dauerausstellung des Dichtermuseums zu engagieren. – Für sein herzhaftes, unermüdliches Engagement danke ich Albert Wirth! Die von ihm deutlich zur Sprache gebrachte, allzu lange verschwiegene Ungereimtheit (Adelheid Duvanels fehlende Präsenz in der Dauerausstellung des Dichtermuseums ihres Herkunftsortes) ist kulturpolitisch brisant; das Anliegen, dieses Manko zu beheben, benötigt wirksame Unterstützung.

In der Veranstaltungs-Vorschau des Dichter- und Stadtmuseums Liestal lese ich nun im Internet, dass am 4. Juni 2021 im Museum die beiden Herausgeberinnen des dieses Jahr im Limmat Verlag Zürich erscheinenden Adelheid Duvanel-Buches „Fern von hier“, Professorin Elsbeth Dangel-Pelloquin und Friederike Kretzen, „diese von ihnen betreute Gesamtausgabe vorstellen werden“. Ausserdem soll der Adelheid Duvanel-Verehrer Dr. Albert M. Debrunner (Basel) „über seine Bemühungen berichten, in Basel die Erinnerung an die bedeutende Autorin wachzuhalten“, und die Kulturaktivistin und Literaturvermittlerin Martina Kuoni „erzählt aus dem schwierigen Leben der Adelheid Duvanel, die einen Teil ihrer Kindheit in Liestal verbrachte“. In der Zeit zwischen 5. Februar und 4. Juni 2021, also innerhalb von fünf Monaten, möchte Kurator Dr. Stefan Hess in seinem relativ kleinen Museum nicht weniger als achtzehn Veranstaltungen zu verschiedenen Themen über die Bühne bringen; jene über Adelheid Duvanel soll die letzte sein, bevor das Museum zwecks Renovation vorübergehend schliesst. Aufgrund bisheriger Erfahrungen ist nicht auszuschliessen, dass das ehrgeizige Programm wegen der auch im neuen Jahr trotz Freigabe von Impfstoffen verschärften Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie unterminiert werden könnte. Dessen ungeachtet bleibt die Hoffung, dass in der dann neu zu gestaltenden Dauerausstellung im Museum an der Liestaler Rathausstrasse ein Platz für Adelheid Duvanel eingeräumt wird.

Felix Feigenwinter, im Januar 2021

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Späte Genugtuung

Antwort auf eine e-mail der Herausgeberin der Adelheid Duvanel-Gesamtausgabe „Fern von hier„, Professorin Elsbeth Dangel-Pelloquin (Januar 2021):

Sehr geehrte Frau Prof. Dangel,

Herzlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben vom 12. Januar. Die Wiedererweckung des literarischen Werkes meiner Schwester ist für mich eine höchst erfreuliche Überraschung. Trotz diverser Altersbresten, Beeinträchtigungen wegen chronischer Krankheiten, auch Belästigungen durch Spätfolgen eines Unfalls/Sturzes im vergangenen Jahr erfüllt es mich mit Genugtuung, und ich versuche nun, Ihre Fragen zu beantworten.

Da Sie Texte meiner Frau über Adelheid erwähnen, gehe ich davon aus, dass Ihnen das Buch „Scheherezadel – Eine Basler Autorin wird entdeckt“ (1998, Verlag Isishaus) vertraut und zugänglich ist. Dort finden Sie auf Seite 29 ein Verzeichnis des Frühwerks (30 Texte) mit den jeweiligen Erscheinungsdaten der „Basler Nachrichten“. Die Liste beginnt mit der Erzählung „Im Schatten des Irrenhauses“ (3.7.1960) und endet mit der Geschichte „Die Käferwohnung“ (17. 3. 1968). Das wäre die Antwort auf Ihre Erkundigung, ob alle Texte im BN-Sonntagsblatt (also in den Beilagen der Samstagsausgaben) erschienen seien oder anderswo, auch in den Ausgaben der übrigen Wochentage. Im genannten Verzeichnis ist auch angegeben, wenn ein Text nicht im Sonntagsblatt, sondern auf einer BN-Feuilleton-Seite veröffentlicht wurde, wie: „Das Ziel“ (9.1.1961, im Feuilleton, nicht Sonntagsblatt“) und„Wilborada und das Wildschweinchen“ (20.3. 1962, BN-Beilage „Blickpunkt“) – mehr kann ich dazu leider nicht mehr sagen, da ich alles meine Schwester betreffende Material vor vielen Jahren dem Schweizerischen Literaturarchiv in Bern sowie später den Rest, vor allem Bilder, dem „Museum im Lagerhaus“ in St. Gallen überlassen habe. 

Vor etwa 25 Jahren habe ich wochenlang im Zeitungsarchiv der UB Basel die in den Sechzigerjahren, vorerst unter dem Pseudonym Judith Januar, in den BN erschienenen Geschichten herausgesucht und kopiert und dieses Material Herrn Vaihinger vom Verlag Nagel&Kimche zur Verfügung gestellt, der es an Peter von Matt weiterleitete, welcher es dann fürs Buch „Beim Hute meiner Mutter“ verwendete.

Im Verlauf Ihrer Recherchen wurden Sie vielleicht auch auf den Katalog zur Ausstellung „Wände, dünn wie Haut“ (2009) im Museum im Lagerhaus St. Gallen aufmerksam, der eine repräsentative Auswahl der von Adelheid gezeichneten und gemalten Bilder vorstellt und dazu eine bemerkenswert umfassende und vertiefte Analyse von Kuratorin Dr. Monika Jagfeld der Merkwürdigkeiten des schwierigen Lebens sowie des bildkünstlerischen und literarischen Werks von Adelheid Duvanel liefert. Dazu der Link: https://unterricht.phwa.ch/wp-content/uploads/2017/07/Duvanel-Bilder-und-Texte.pdf

Der hochinteressante, auch informativ wertvolle Text von Monika Jagfeld enthält leider einen kleinen Fehler, vermutlich aufgrund eines Missverständnisses bzw. einer Verwechslung: „In den 70er Jahren publiziert sie unter dem Namen Martina kleine Tiergeschichten und Alltagsfeuilletons („Allzu Privates“ ) in der Basellandschaftlichen Zeitung…“, schreibt Frau Jagfeld. Meines Wissens ist aber in der Basellandschaftlichen nie etwas von Adelheid erschienen. Vielleicht kam Frau Jagfeld irrtümlich darauf, weil damals ein Teil des „doppelstab“ unter dem Titel „Baselbieter Anzeiger“ erschien. Sie schreiben ja richtig, dass es sich um eine „doppelstab“-Kolumne handelte. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich die betreffenden Typoskripte dem Literaturarchiv übergeben. Für den „doppelstab“ arbeitete ich zwischen 1965 und 1971 als freier Journalist, und nach einem Unterbruch von zwei Jahren, die ich als Alleinredaktor der aargauischen „Freiämter Zeitung“  in Wohlen verbrachte, zwischen 1973 und 1980 als festangestellter Redaktor. Somit ist davon auszugehen, dass „Allzu Privates“ in den Siebzigerjahren erschienen ist. 

Im übrigen habe ich alles Wesentliche, was ich über meine Schwester, ihr Leben und ihr Schaffen zu sagen hatte und habe in meinen vier Texten „Persönliche Erinnerungen an meine Schwester Adelheid Duvanel“, „Zwerg Julius und das Riesenfräulein“, „Adelheids Reisen ans Meer“ sowie „Ein schwieriges Leben“ festgehalten. Diese schrieb ich mit noch frischem Gedächtnis; heute bin ich 81jährig, und die Erinnerungen sind zum Teil verblasst.

Nun hoffe ich, dass ich Ihnen dennoch einige für Sie nützliche Hinweise und Informationen geben konnte.

Mit freundlichen Grüssen

Felix Feigenwinter

 

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Januar 13, 2009 Posted by | JOURNALISMUS, KULTUR, POLITIK | , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | 4 Kommentare